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Frankenstein lässt grüßen

Auch wenn der Science-Fiction-Comic EGOn sich zunächst der Entschlüsselung seiner Motive verweigert, Titel und Typografie geben den entscheidenden Hinweis darauf, worum es geht: nämlich das Ich und seine vielfältigen Ausformungen, die aber, wie in einem der Höllenkreise in Dantes "Göttlicher Komödie" stets auf sich selbst verweisen. Was heißt, dass die wortwörtlich abgekapselt in einer zerstörten Umwelt lebende Hauptfigur Egon ein Abbild ihrer Selbst erschafft. Doch wie jede künstliche Kreatur, die etwas auf sich hält, erlangt Egon einen eigenen Willen, der sich am Ende gegen den eigenen Schöpfer richtet – "Frankenstein" lässt grüßen. Dabei spielt Zeichner Dominik Wendland mit moderner Kunst, die er wie selbstverständlich mit den Ausgeburten neuester Technologien verwebt, vom eskalierenden Emoji bis zum explodierenden Chat. Es gelingen ihm Bilder, deren Farben und Raster eine Welt zeichnen, in der alles zu haben, aber nichts von bleibendem Wert ist. Es könnte alles so schön sein, wenn die Menschheit die Welt nicht ihrem Ego unterworfen und damit zerstört hätte.

Dominik Wendland, EGOn, Ja Ja Verlag, Berlin, 88 S., ISBN 9783946642718, 12 €

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Von Hoffnungstupfern durchwirkt

Schwer zu sagen, ob Anna Haifischs "Schappi" Comics oder Bildgeschichten versammelt; jedenfalls spielen Tiere mit. Zudem fehlen comictypische Merkmale wie Sprechblasen und Lautmalerei, derweil die Texte oft unter den Bildern stehen. Ganz wie in den Salamander-Lurchi-Heften der 1970er Jahre von Brigitte Smith, die damals gefeuert wurde, weil Pop-Art-Stil und pazifistischer Inhalt die Erwartungen der Auftraggeber nicht erfüllten. Sie blieb die einzige Frau unter den für die Schuhgeschäftskette tätigen Kreativen, und so drängt sich das Bild der fanatischen Salamander im längsten "Schappi"-Beitrag "Das Mausglas" schon beinah als Hommage auf. Tatsächlich steht auch Anna Haifisch als eine der besten deutschen Erzählerinnen fast alleine da. Ihre von Hoffnungstupfern durchwirkte Melancholie zeigt sich in der thematischen Umsetzung: Ob sie Kästners "Konferenz der Tiere" in flammenden Farben, den Hamburger G20-Gipfel von 2017 reinszeniert oder ein Straußenballett queerer Selbstermächtigung unter Myriaden von Sternen vor schwarz-violetter Kulisse choreografiert – derart richtungsweisend agiert hierzulande kaum jemand.

Anna Haifisch, Schappi, Rotopol Press, Kassel, 92 S., Broschur mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-96451-008-2, 20 €