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Dirk Stermann: Der Hammer

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Graz 1774. Eine Frau liegt in den Wehen, bringt einen Jungen zur Welt und nennt ihn Joseph. Damals ahnte noch niemand, dass dieses Kind einmal der größte Orientalist werden würde, den Österreich je hervorgebracht hat. Dennoch ist Joseph Hammer-Purgstall selbst dort relativ unbekannt. Ein Fakt, der ihn vermutlich zutiefst schmerzen würde, wenn er davon wüsste. Gleichzeitig würde er sich wohl geschmeichelt fühlen, durch einen ganzen Roman zu späten Ehren zu gelangen. Dirk Stermann (ja, der Dirk Stermann aus der Late Night Show "Willkommen Österreich") fand das Leben dieses Mannes so interessant, dass er es fiktionalisiert hat.

So erzählt er, wie aus dem ehrgeizigen Sprachknaben ein Dolmetscher am Wiener Hof wird, den Orient bereist, der zu jener Zeit sehr viel weiter entwickelt ist als Europa, das sich noch in einem "geistigen Dunkel" befindet. Während es im Wien des christlichen Abendlandes an allen Ecken und Enden stinkt und fault, blüht und duftet das Morgenland – Bildung und Kultur beeindrucken Joseph Hammer. Doch leidet der ebenso sprachbegabte wie ehrgeizige junge Mann darunter, dass ihm wegen seiner kleinbürgerlichen Herkunft eine Karriere als Botschafter in Konstantinopel versagt bleibt. Dennoch arbeitet er wie besessen, vertieft sich in die Studien des Orients, liest den Koran, übersetzt unter anderem die "Märchen aus Tausendundeiner Nacht" ins Englische und Französische, überträgt europäische Literatur ins Türkische und Persische und verfasst unzählige gelehrte Schriften, darunter die zehnbändige Geschichte des Osmanischen Reiches. Der Ruf seiner Gelehrsamkeit zieht Kreise, er trifft sogar Beethoven, der ihn darum bittet, einen Text für eine kleine Komposition zu schreiben. Dennoch: Trotz wachsender Reputation und schließlich auch der Erhebung in den Adelsstand scheint Joseph Hammer nie wirklich zufrieden, er bleibt ein Getriebener seines eigenen Ehrgeizes.

Dirk Stermann schafft es mit leiser Ironie und dennoch großer Empathie, die Geschichte eines Mannes zu erzählen, den man trotz seiner Arroganz und Eitelkeit und anderer eher unsympathischer Eigenschaften ins Herz schließt. Daneben entfaltet dieser Roman so ganz nebenbei europäische Geschichte, die man buchstäblich riechen kann, was nicht immer ein olfaktorisches Vergnügen gewesen zu sein scheint. Davon in diesem historischen Abenteuerroman zu lesen, ist dafür um so faszinierender. Marion Brasch

Dirk Stermann: Der Hammer. Rowohlt Buchverlag, 448 S. 24 €

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Julia Neumann: In den Fängen der Schuld

Das ist mutig: Die Kölner Autorin Julia Neumann traut sich in ihrem zweiten Kriminalroman mitten hinein in den Nahostkonflikt, der sich durch zwei Verbrechen an Juden in Köln abbildet. Der knapp 80-jährige Eliah Silbermann, als Kind deutscher ermordeter Juden in Palästina aufgewachsen, wird in seiner Kölner Altersheimat von Cottbusser Neonazi-Hooligans zusammengeschlagen; sein Enkel Oz, Geschäftsführer von Elihas Stiftung, wird brutal ermordet. Brisant: Die Stiftung sammelt ausgerechnet Geld für Siedlungsbau im besetzten Westjordanland – und dann ensteht auch noch das Gerücht, die Wohnungen seien für Palästinenser gedacht! Ein politisch extremer Fall für den noch unbeholfenen, empa-thischen Kommissar Morelli in einer Zeit mit antisemitischen Vorfällen, offener rechtsextremer Gewalt und nervösen staat- lichen Organen. Als dann noch eine palästinensische Austauschstudentin ins verwirrende Spiel um alte und neue Schuld kommt, ist Morelli extrem gefordert, Haltung ist gefragt. Neumann, versierte Drehbuchautorin, gelingt es meisterhaft, die unzähligen Fallstricke zu überspringen, die ihr komplexes Thema bereithält. Auf mehreren Zeitebenen schreibt sie einen sehr spannenden, mitunter zutiefst tragischen und erschütternden Roman mit differenziert gezeichneten Charakteren. Ulla Lessmann

Piper, 224 S., 12,99 €

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Andrew Shaffer: Hope never dies

Langeweile im Vorruhestand? Das kommt für Barack Obama und Joe Biden nicht in Frage. In diesem amüsanten Kriminalroman treten die beiden als Privat-ermittler auf. Biden, der Ich-Erzähler, will den rätselhaften Tod eines Zugbegleiters aufklären. Warum war dieser mit Drogen vollgepumpt? Und warum hatte er eine Karte dabei, auf der Bidens Anwesen markiert war? Obama macht bei den Ermittlungen zwar mit, scheint aber immer ein wenig über den Dingen zu schweben. Eigentlich ist die Handlung Nebensache – die spannende Geschichte lebt von den ironischen Dialogen zwischen den beiden fiktiven und doch ziemlich realen Politstars. Biden ist eifersüchtig auf Obamas Popularität und dessen lässige Lebenseinstellung. Der Ex-Präsident hingegen amüsiert sich über den Ehrgeiz und die Pistole seines Partners. Trotzdem – oder gerade deswegen – sind sie ein gutes Team. Sie überstehen eine Schlägerei und setzen sich gegen eine Motorradgang zur Wehr. Und den Todesfall klären sie selbstverständlich auf. US-Autor Andrew Shaffer ist eine originelle Parodie auf coole Privatdetektiv-Krimis gelungen. Mit treffenden Anspielungen auf die Amtszeit von Obama und Biden und deren wahre Freundschaft. Günter Keil

Droemer Verlag, Ü: Eva Bonné, 320 S., 14,99 €