Ausgabe 08/2019
Wider die schwarze Null
Die Berliner Republik muss in ihre Zukunft investieren. Deutschland verfehlt die Klimaziele, die Schulen und Universitäten sind marode, der Strom kommt nicht von Nord nach Süd und das Internet lahmt. Seit der Jahrtausendwende ist zu wenig Geld in die Infrastruktur unseres Landes geflossen. Allein der kommunale Investitionsstau beläuft sich auf 138 Milliarden Euro. Doch damit nicht genug: In den Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Altenheimen und beim ÖPNV fehlt es an Personal. Der Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI, und der DGB haben nun die Merkel-Regierung aufgefordert, eine Investi-tionsoffensive zu starten. Ein Jahrzehnt lang sollen zusätzlich 45 Milliarden Euro pro Jahr in Bildung, Klimaschutz, Verkehr und Digitalisierung gesteckt werden. Aus dem laufenden Haushalt ist das nicht finanzierbar. Gewerkschaften und Industrie schlagen daher vor, die Ausgaben über Kredite zu finanzieren. Dafür soll die schwarze Null geopfert und die Schuldenbremse gelockert werden.
Das Arbeitgeberlager vollzieht dabei eine 180 Grad-Wende. Jahrzehntelang wollten Henkel, Rogowski, Kempf & Co die "Bestie Staat" aushungern. Mit Steuersenkungen und Schuldenregeln wurden den Kommunen, Ländern und Bund Fesseln angelegt. Jetzt aber leiden die Unternehmen unter maroden Straßen, schlecht qualifizierten Auszubildenden und verstopften Datennetzen. Nun soll also der Staat in die Infrastruktur investieren. Liebend gern würden die Arbeitgeber dafür die Rente kürzen oder weniger Geld für Gesundheit ausgeben. Dieser Sozialabbau ist aber gesellschaft-lich und politisch nicht durchsetzbar. Und da niemand auf die Idee kommen soll, die Steuern auf hohe Gewinne, Einkommen und Vermögen zu erhöhen, soll der Staat jetzt Schulden machen. Kurzfristig ist das ökonomisch und sozial sinnvoll. Mittelfristig sollten Unternehmen, Spitzenverdiener und Vermögende wieder angemessen an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beteiligt werden.