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Milena Agus: Eine fast perfekte Welt

Wo ist der richtige Platz im Leben, fürs Leben? Und wie wird man glücklich, obwohl nichts perfekt ist? Um diese Fragen hat Milena Agus einen feinen Roman gebaut. Die italienische Autorin erzählt die Geschichte von Ester und Raffaele, einem Paar aus Sardinien, das aufs Festland zieht. In Genua reicht das Geld zwar nur für eine dunkle, feuchte Wohnung, aber immerhin. Ester bekommt eine Tochter, Felicita. Der Alltag bleibt allerdings hart, und die junge Familie beschließt nach ein paar Jahren, wieder nach Sardinien zurückzuziehen. Als Felicita älter ist, zieht sie nach Cagliari, um dem konservativen Dorfleben zu entkommen. Milena Agus, deren Eltern aus Sardinien stammen, erzählt in ruhigem Ton von drei Generationen einer Familie. Verständnisvoll dokumentiert sie deren schwierige Suche nach dem richtigen Ort zum Leben. Gegen Ende des Buches zieht es Felicitas Sohn Gregorio noch weiter weg als seine Vorfahren: Er entscheidet sich, in New York eine Karriere als Musiker zu starten. Milena Agus zeigt mit ihrer vielschichtigen Geschichte den Gegensatz zwischen Stadt und Land, Arm und Reich, Tradition und Moderne. Ein Lehrstück übers Leben. Günter Keil

dtv, Ü: Monika Köpfer, 208 S., 20 €

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Mona Franz: Schwarzwälder Kirsch

Maria Brunn ist ein idyllisch gelegenes Dörfchen im Schwarzwald samt langweilig gepflegter Vorgärten, mehr oder minder einheitlich renovierter Einfamilienhäuser, Kuckucksuhren und Kirschtorten. Ausgerechnet in diesen Ort ihrer Kindheit reist die 72-jährige pensionierte Kriminalhauptkommissarin Christa Haas, um sich im betreuten Wohnen von einem Oberschenkelhalsbruch zu erholen. Dass Christa sich äußerst unwillig zwischen alten Leuten aufhält, ist das Eine. Das Andere, dass ihr allseits verehrter ehemaliger Klassenkamerad, Ehrenbürger und reicher Brauunternehmer Bertie Haberland auf seiner eigenen Terrasse mit Benzin übergossen und angezündet wird. Nun gäbe das Folgende – eigenmächtige Ermittlungen von Christa und Tollpatschigkeit des zuständigen Jung-Kommissars – reichlich Stoff für altbekannte Konstellationen her. Aber: Mona Franz meidet jeden schenkelklopfenden Klamauk einschlägiger Landkrimis. Mit feinem Witz und eleganter Ironie bastelt sie einen handwerklich sehr soliden Plot rund um das dörfliche Milieu, in dem jeder jeden kennt, die meisten miteinander verwandt sind und viele mal was miteinander hatten. Die ganz normalen Absurditäten, Intrigen und Garstigkeiten in solch verschworenen Gemeinschaften reichen allemal für kriminelles Vergnügen mit tragischem Hintergrund aus. Da Christa sich zunehmend mit dem Altsein, dem betreuten Wohnen und Maria Brunn anfreundet, sich zudem zarte Bande zwischen ihr und Mitbewohner Carlo spinnen, steht einer Fortsetzung dieser originellen, wenig altersgerechten Detektivarbeit nichts entgegen. Ulla Lessmann

Ullstein, 345 S., 9,99 €