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Oliver Berg/dpa

Titel „Wir sind für euch da – Corona-Krise“, ver.di Publik 2_2020

Getreu den Worten des Kölner Kabarettisten Jürgen Becker, mit denen er regelmäßig seine "Mitternachtsspitzen" beendet: "Nichts ist so schlecht, dass es nicht auch für irgendwas gut ist", könnten die Erfahrungen der Corona-Krise vielleicht auch als Anlass genutzt werden, einmal grundsätzlich über unsere Organisation von Wirtschaft und Gesellschaft nachzudenken. Möglicherweise würde sich ja ergeben, dass Solidarität und die Orientierung am konkreten Bedarf, auf die es zur Bewältigung der Krise unbedingt ankommt, auch in normalen Zeiten keine schlechteren Prinzipien für die Organisation der Gesellschaft sind als die Konkurrenz- und Tauschwertlogik unserer kapitalistischen Marktwirtschaftsgesellschaft. Genau eine solche Erkenntnis dürfte natürlich für die neoliberalen Hardliner die eigentliche Gefahr sein, die in der Corona-Krise lauert. Kollegiale Grüße und bleibt gesund! Dr. Peter Radt, per E-Mail

Ich arbeite seit 22 Jahren im Altenheim und es macht mich traurig und wütend, dass es erst einer Pandemie bedarf, um auch den Wert der Pflege zu erkennen. Applaus und kurzfristige Finanzspritzen reichen absolut nicht aus, um dem jahrzehntelang bekannten Pflegenotstand Einhalt zu gebieten, und nein, Betreuer und Pfleger aus Polen, Südamerika und diversen anderen Ländern sind ebenfalls keine wirkliche Lösung. Eine angemessene Bezahlung für alle im Bereich Pflege Tätigen ist unabdingbar, ebenso jedoch müssen die Arbeitsbedingungen z.B. durch einen sich erhöhenden Personalschlüssel verbessert werden. Wegen systematischer Unterbesetzung nicht permanent beim Ausfall von Kollegen aus dem Frei gerufen zu werden, das würde hoffentlich ehemalige Mitarbeiter dazu bewegen, wieder in ihren Beruf zurückzukehren, und neue Menschen motivieren, ihn anzutreten. Ebenso wie die Corona-Krise und der Klimanotstand muss der Pflegenotstand jetzt angegangen werden.

Norbert Müsch, Rees

Wegen des Corona-Virus besinnt sich der Staat plötzlich seiner Stärke. Weil Menschenleben und Unternehmen bedroht sind, hagelt es Verbote, und es kommt viel Geld vom Staat. Bisher bestimmte der schlanke Staat, also Sparsamkeit, Steuersenkungen für Reiche und Konzerne und freie Fahrt für freie Bürger die Politik. So gab es für Deutschland riesige Exportüberschüsse und viele Arbeitsplätze. Die Klimaziele und das soziale Gleichgewicht kamen dabei aber unter die Räder. Im privatisierten Gesundheitswesen schuften unterbezahlte Kräfte bis zum Umfallen. Arme, durch Importüberschuss verschuldete Länder stehen vor dem Kollaps oder in (von außen finanzierten) Bürgerkriegen, die ihre Bürger in die Flucht treiben. Selbst im reichen Deutschland ließ diese unchristliche Politik die Regierungsparteien abschmelzen. Hoffen wir, dass der Corona-Schock hier eine Wende herbeiführt.

Hans Oette, Neuenstadt

Reportage "Chicos Erbe", ver.di Publik 2_2020

Ich habe mich riesig über den Beitrag über Chico Mendes gefreut. Leider ist es ein schreckliches Beispiel, wie es in Südamerika wirklich aussieht. Die Welt braucht mehr Menschen, die so denken wie er. Aber das geht auch uns hier in Europa etwas an. Wir können auch etwas dagegen tun, dass der Urwald weiter und weiter abgeholzt wird. Ich achte gerne auf fair gehandelte Ware und spende für Greenpeace. Vielen Dank für diesen tollen, aber auch traurigen Bericht! Melanie Brösel, per E-Mail

Zum Thema möchte ich euch ein Lied von mir schicken. Ballade von Chico Mendes. Arbeiter und Umweltschützer – ein Vorbild, und so aktuell:

Ballade von Chico Mendes

Text: Pit Bäuml, März 2016; Musik: nach Fresh Game, Chico

Viehzuchtbosse/und Holzbarone
in maßloser Gier nach Land –
eine Million/Bäume am Tag
geschlagen oder verbrannt –
bahnen sich weiter in den Wald/gnadenlos ihren Weg,
rauben den Bewohnern das Land/rollen über sie weg.

Chico weiß/als Kautschukzapfer:
da ist der Regenwald bedroht.
Chico versteht,/nur organisiert
behalten wir Arbeit und Brot:
„Kommt alle zusammen, wir stellen uns
den mächtigen Herrn in den Weg!
Als Gewerkschaft aller Waldarbeiter/gehen wir hier
nicht mehr weg!„

Waldarbeiter/und Waldbewohner
verfassen ein Manifest
der Völker des Waldes – gemeinsam
erklären und stellen sie fest:
„Alles Leben baut auf den Kreislauf/von Seen und Wald und Fluss
gigantischer Kreislauf, und doch so zerbrechlich,
den man erhalten muss!„

Die Bewegung wächst/und Chico gründet
mit den Arbeitern eine Partei.
Sie wollen ihr Land/von Grund verändern,
die Umwelt schützen dabei.
Die Grundbesitzer rasen vor Wut –/und Chico trifft ein Schuss.
Die Welt schreit auf, als Echo bleibt/das Bild von Chico am Schluss:

(Refr.) Chico, Chico, du lebst in jedem Baum, der noch steht
Chico, Chico, du lebst dort, wo ein Arbeiter geht
weiter deinen Weg,
mit andern mutig steht
für das Leben, für das Leben.

Pit Bäuml, Heilbronn

Der Beitrag „Chicos Erbe“ hat es mir besonders angetan, weil man darin ersehen und vergleichen kann, wie unterschiedlich die Lebensbedingungen in den Regionen der Welt sind und die internationale soziale Solidarität der arbeitenden Menschen herausfordern. Dass das Wohl und Wehe der Menschen im Amazonasgebiet selbst sowohl vom Mut der Sammler/innen als auch von den Machtverhältnissen in Brasilia abhängen – und das für ein globales klimarelevantes Gebiet – macht nachdenklich. Eigentlich bürden wir "Ausländer" den Sammler/innen eine große Last auf, wenn wir sie mit ihrem Kampf vor Ort alleine lassen würden. Ich weiß, dass das so nicht stimmt. Aber man könnte mehr tun. So könnten internationale Stiftungen unter dem Dach der UNO große Flächen des Amazonasgebiets für den Schutz der Natur aufkaufen, verwalten und mit Auflagen an die Sammler/innen verpachten. Die Regierung sollte dann verpflichtet werden, die Einnahmen aus dem Flächenverkauf zweckgebunden für soziale Projekte in Brasilien auszugeben. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Zudem würde das Stiftungs-Eigentum die Sammler/innen international vor Übergriffen schützen und wehrhaft gegenüber der nationalen korrupten Justiz machen. Die soziale Internationale hätte daran ein großes Interesse!

Rinaldo Kusch, Chemnitz

Thema „Gekaufte Wissenschaft“, ver.di Publik 2_2020

Endlich mal wieder ein spannender Bericht aus dem von ver.di ansonsten eher vernachlässigten Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung. Prof. Kreiß hat völlig recht: Tatsächlich fließen Drittmittel an Universitäten hauptsächlich in die kapitalfreundliche und gewerkschaftsfeindliche Richtung. Wer das bezweifelt, möge nur einmal versuchen, in den ohnehin marginalisierten Geisteswissenschaften ein Forschungsprojekt zu politischer Ökonomie oder Karl Marx finanziert zu bekommen.

Matthias Mayer, Ludwigshafen a. Rh.

Interview „Sich einfach mal bedanken“, ver.di Publik 2_2020

Jede(r) Lohnabhängige sollte Mitglied einer Gewerkschaft sein. Es ist ein Recht, von dem man Gebrauch machen sollte, da es eine Investition nicht nur in die eigene, sondern auch in die Zukunft aller Lohnabhängigen ist. Seit über hundert Jahren haben Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen gekämpft. Davon profitieren auch die heutigen Arbeitnehmer. Somit sehe ich eine Mitgliedschaft als eine Art moralische Verpflichtung gegenüber früheren Generationen, die auch für uns gekämpft haben.

Man kann sich nicht über schlechte Arbeitsbedingungen beschweren, aber zugleich nicht organisiert sein.

Es gilt der Spruch: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst.“ Aus diesen Gründen habe ich für Austritte und „Nicht-Mitgliedschaften“ wenig Verständnis.

Axel Heintzmann, Hannover

ver.di Publik Ausgabe 2_2020

Ich freue mich sehr, dass die aktuelle Ausgabe sich nicht nur mit der Corona-Krise, sondern auch mit Nachhaltigkeit und der Welt nach Corona beschäftigt. Artikel wie "Das lässt sich reparieren" und „Wege aus der Wegwerfgesellschaft“ erfreuen mich. Dem widersprechen jedoch einige Aussagen in Frank Wernekes Leitartikel. Nein: Bitte kein „großes Paket, um die Konjunktur wieder zu beleben“. Bitte keine "Konsum-Schecks"! Das sind Gedanken, die noch fest dem alten, nicht mehr zeitgemäßen Modell eines permanenten Wirtschaftswachstums anhängen. Stattdessen sollten wir die Krise als Weckruf verstehen, endlich zu einer Postwachstums- und Gemeinwohlökonomie überzugehen, uns auf das zu beschränken, was uns wirklich glücklich macht. Und das ist nicht der sich stets steigernde Konsum materieller Güter. Da muss die ver.di umdenken. In manchen Bereichen brauchen wir tatsächlich mehr. Wir brauchen z.B. mehr Pflegekräfte, und dazu müssen diese, wie auch andere Berufsgruppen, die sich jetzt als systemrelevant erweisen, im Verhältnis zu anderen Berufen besser bezahlt werden.Es sollte jedoch kein allgemeines "Immer mehr" daraus werden.

Leif Grahn, per E-Mail

Ich hatte es schon länger vor, und heute ist es soweit. Ein großes Lob für Eure Zeitung möchte ich aussprechen! ver.di publik deckt sehr weite Themenfelder ab. Das liegt nicht nur daran, dass ver.di die Interessen der Beschäftigten in vielen Branchen vertritt und Ihr davon berichtet, sondern dass Ihr über den engen gewerkschaftlichen und berufsbezogenen Tellerrand hinausblickt. Ihr beschreibt nicht nur Konflikte und Probleme, Ihr zeigt Wege der Veränderung auf und macht Mut. Das ist für mich der wichtigste Punkt, denn nur so lassen sich Menschen bewegen, den ersten Schritt (und danach viele weitere Schritte) zur Umwandlung bestehender Verhältnisse zu unternehmen. Dazu sind die Artikel spannend geschrieben und Eure Zeitung gut gestaltet.

Ich freue mich schon auf die nächste Ausgabe!

Karl-Heinz Neumann, per E-Mail