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Was am Ende übrig bleibt, sollte mehr als eine leere Pulle seinFoto: Bernd Arnold/Visum (M)

Erneut bedroht eine Krise eine ganze Generation. Nur sechs Jahre ist es her, da war in Folge der weltweiten Finanzkrise 2008 schon einmal von der "verlorenen Generation" die Rede. "Ich finde es paradox, dass wir Jungen vom Virus an sich so wenig betroffen sind, indirekt aber mit am härtesten darunter leiden", zitierte bento Anfang Juni den 26-Jährigen Politikstudenten Philipp H.. Der junge Mann steht kurz vorm Abschluss seines Studiums, das er nach eigenem Bekunden mit sehr guten Noten abschließen wird. Doch seine Bewerbungen laufen seit Wochen ins Leere.

Dabei sah es noch Ende März 2020 in Deutschland nicht schlecht aus für Hochschulabsolvent*innen und Auszubildende mit abgeschlossener Ausbildung. Die Jugenderwerbslosigkeit lag nach Erhebungen von Eurostat bei nur 5,6 Prozent. In Spanien lag sie zu diesem Zeitpunkt kurz nach dem coronabedingten Lockdown bei den bis zu 25-Jährigen schon wieder bei über 33 Prozent, in Italien bei 28, in Frankreich bei 20,4 und selbst in den oft wegen ihrer Bildungssysteme gepriesenen nordischen Ländern bei um die 20 Prozent. Aus den Erfahrungen der vergangenen Krise ist abzusehen, dass die Quoten trotz anhaltendem Fachkräftemangel eher weiter steigen als sinken werden.

Anfang April, als sich Europa mitten im Lockdown befand, forderten mehr als 50 Jugendorganisationen aus Europa "Corona-Bonds" für die Jugend. Die Folgen der Banken- und Finanzkrise dürften sich nicht wiederholen, hieß es in einem gemeinsamen Brief an die Finanzminister der Eurozone. In Spanien war damals die Jugenderwerbslosenquote auf fast 60 Prozent angewachsen. Es gehe nun wieder um nicht weniger als die Zukunft Europas, zumindest aber um Solidarität und Generationengerechtigkeit.

Langfristige Folgen

Die ver.di Jugend fordert in einem Positionspapier zur Krise "schnelle, unbürokratische und elternunabhängige Hilfe". Vor allem für dual Studierende sei die Rechtslage "katastrophal unübersichtlich", einige arbeiten in einem Teilzeitarbeitsverhältnis, einige haben einen Midi-Job, und andere haben einen Vertrag mit einer Hochschule und machen Pflichtpraktika in ausbildenden Betrieben. Und auch Auszubildenden drohe, ihr Ausbildungsziel nicht zu erreichen. Prüfungstermine sind verschoben, Praxisanleitungen bleiben aus, Betriebe gehen in Konkurs, schließen. "In der aktuellen Situation darf es nicht dazu kommen, dass Auszubildende die Ausbildung abbrechen, weil sie nicht ausreichend Unterstützung erfahren", heißt es in dem Papier. Kai Reinartz, der Vorsitzende der ver.di Jugend, sagt: "Die Politik muss Anreize dafür schaffen, dass Betriebe Azubis die Möglichkeit geben, ihre Ausbildungen nicht nur abzuschließen, sondern dass sie sie anschließend auch übernehmen. Sonst haben wir nach der Krise zwar massenhaft Ausgebildete, aber eine hohe Jugendarbeitslosigkeit."

In ihrem Konjunkturpaket hat die Bundesregierung zumindest für klein- und mittelständische Unternehmen eine Prämie von 2.000 Euro pro Ausbildungsplatz vorgesehen, wenn genauso viel ausgebildet wird wie zuvor, eine 3.000-Euro-Prämie gibt es für jeden zusätzlich geschaffenen Ausbildungsplatz. Studierenden hingegen stehen bis März 2021 nur zinslose Kredite zur Verfügung. Zu den Bafög-Schulden türmen sich so weitere Schulden, von denen derzeit überhaupt nicht abzusehen ist, wann sie junge Menschen wie Philipp H. werden abtragen können. Zumal schon jetzt laut mehreren Umfragen knapp 40 Prozent der Studierenden ihren Nebenjob in der Krise verloren haben.

Die unlängst beschlossene Überbrückungshilfe ist da kaum der Rede wert. Seit dem 16. Juni können Studierende für die Monate Juni, Juli und August jeweils 500 Euro beantragen, die nicht zurückgezahlt werden müssen, aber die Hürden sind hoch. Und: Die dafür bereitgestellte Summe von 100 Millionen Euro reicht gerade einmal für zwei Prozent der Studierenden. Am Ende ist für Studierende wie Azubis entscheidend, ob sie einen Arbeitsplatz finden.

In ihrem Papier führt die ver.di Jugend übrigens noch einen anderen Grund an, der in Deutschland nach der Finanzkrise zu einer extrem hohen Jugenderwerbslosigkeit geführt hatte: die Lockerung der Befristungsregelungen. Die langfristige Folge: Rund 41 Prozent der jungen Beschäftigten sind inzwischen nur noch befristet angestellt. Und mit der Frist kommt der Frust. Die Jugend von heute hat leider allen Grund, frustriert zu sein.