Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft im Würgegriff. Der wirtschaftliche Kollaps stellt alle bisherigen Wirtschaftskrisen und Naturkatastrophen in den Schatten. Die Schätzungen der professionellen Auguren gehen von einem Wachstumseinbruch des Bruttoinlandsproduktes zwischen fünf und 20 Prozent aus. Nur zum Vergleich: In der großen Weltwirtschaftskrise sank die deutsche Wirtschaftsleistung im Jahr 1932 um 17 Prozent. Abhängig von der Tiefe und Dauer der Rezession sind die Folgen für den Arbeitsmarkt. Die Zahl der Kurzarbeiter und Arbeitslosen könnte alle bisherigen Zahlen übertreffen.

Die Krise war die Stunde der Regierung. Die Große Koalition hat mit einer entschlossenen Antikrisenpolitik schnell und weitgehend angemessen gehandelt. Arbeitsminister Hubertus Heil, SPD, hat die Kurzarbeit erleichtert. Finanzminister Olaf Scholz, SPD, hat Rettungsschirme für Unternehmen und Selbstständige aufgespannt. Jetzt hat die Große Koalition ein 130 Milliarden schweres Konjunkturprogramm geschnürt. Die Größe des Konjunkturpakets ist mit einem Umfang von drei Prozent des Sozialproduktes angemessen. Mit diesem "Wumms", so Scholz, soll die Republik schnell aus der Krise kommen. Die Konjunkturhilfen sollen rechtzeitig, zeitlich begrenzt, zielgenau und transformativ wirken. Das Paket besteht zunächst aus kurzfristigen konsumstimulierenden Maßnahmen. Diese umfassen einen Kinderbonus, eine Senkung der Mehrwertsteuer, Abschreibungsregeln und eine Kaufprämie für Elektroautos. Zudem werden weitere Schutzschirme für Kommunen, öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), Bahn, mittlere Unternehmen, Sozialversicherungen und Kultur aufgespannt. Darüber hinaus beinhaltet das Konjunkturprogramm Zukunftsinvestitionen in Krankenhäuser, Schulen, Kitas, Forschung, Digitalisierung und die Verkehrswende.

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Dierk Hirschel leitet den Bereich Wirtschaftspolitik bei ver.diKay Herschelmann

Das Konjunkturpaket wird die Konjunktur ankurbeln. Ob die Maßnahmen aber ausreichen, um einen selbsttragenden Aufschwung einzuleiten, werden wir in wenigen Monaten sehen. So ist die Mehrwertsteuersenkung ein ökonomisches Großexperiment mit offenem Ausgang. Wenn die Unternehmen die Steuersenkung nicht in sinkende Preise weitergeben, verpufft dieser 20 Milliarden schwere Konjunkturimpuls. Mit Konsumschecks oder einem höheren Kinderbonus hätte die Regierung dieses Risiko vermeiden können. Noch besser wären höhere Harz-IV-Regelsätze gewesen. Diese hätten den Konsum angekurbelt und gleichzeitig für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt. Die Schutzschirme für Kommunen und ÖPNV verhindern einen Einbruch bei den öffentlichen Investitionen und einen Kahlschlag beim öffentlichen Nahverkehr. Das ist gut so. Die Zukunftsinvestitionen in den sozial-ökologischen Umbau sind ein Anfang, reichen aber nicht aus. Zudem fließt der Großteil der Investitionen in die Industrie und nicht in den Ausbau der Daseinsvorsorge. Nötig wäre ein richtiges sozial-ökologisches Investitionsprogramm in Höhe von jährlich 50 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 10 Jahren. Nur so kann der riesige Investitionsstau im Gesundheits- und Bildungswesen, im Nah- und Fernverkehr sowie bei Energieversorgung und Digitalisierung aufgelöst werden.

Insgesamt mobilisierte die Bundesregierung bisher 1,3 Billionen Euro im Kampf gegen Corona. Dafür nahm der oberste Kassenwart der Republik sogar in Kauf, dass die Bild-Zeitung ihn zum Schuldenkönig krönte. Schwarze Null und Schuldenbremse sind erst einmal Geschichte. Scholz plant für 2020 eine Nettokreditaufnahme von 220 Milliarden Euro. Das ist viel Holz. In der großen Finanzmarktkrise machte Peer Steinbrück, SPD, lediglich 40 Milliarden Euro neue Schulden. Olaf Scholz macht eine Finanzpolitik ohne ideologische Scheuklappen. In der Krise sind alle Keynesianer. Sollte das Konjunkturprogramm seine erwünschte Wirkung verfehlen, muss aber Ende des Jahres nachgelegt werden.

Schon heute wird darüber gestritten, wer die Kosten des teuren Rettungseinsatzes bezahlen soll. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak will die Corona-Schulden bis 2030 loshaben. Ein harter Sparkurs nach der Krise wäre aber ökonomischer Unsinn. Kürzungen bei Sozialausgaben und Investitionen schaden der wirtschaftlichen Erholung und erhöhen nur den Schuldenberg. Wir können aus den Schulden nur herauswachsen. Zudem müssen wir künftig noch mehr in Daseinsvorsorge, Sozialstaat und Klimaschutz investieren. Das geht aber nur, wenn Investitionen weiter kreditfinanziert werden und hohe Einkommen und Vermögen sowie finanzstarke Unternehmen mehr zur Finanzierung unseres Gemeinwesens beitragen. Geld ist dafür genug da. Es ist nur falsch verteilt.