Sachsen-Anhalt – Beim privaten Klinikbetreiber Ameos in Sachsen-Anhalt musste bislang jeder Erfolg hart erkämpft werden. So ist es auch beim jetzt erreichten Zwischenergebnis hin zum Tarifvertrag. Erst ging es vorwärts, dann wieder rückwärts und dann ging doch was. "Jetzt ist die Tinte trocken, das Ergebnis ist von beiden Seiten unterzeichnet", sagte Ende Juli Tarifkoordinator Thomas Mühlenberg, der mit in der ver.di-Verhandlungsführung ist.

Als die Wogen geglättet schienen

In den Wochen zuvor hatte es schon nicht mehr nach einer Einigung augesehen. Dabei war der jetzt unterschriebene Zwischenerfolg mit den tariflichen Vereinbarungen zwischen ver.di und Ameos schon im Mai vereinbart worden. Der Vertrag sollte also längst unterschrieben sein. Doch dann machte Ameos die Rolle rückwärts: Der Konzern stellte neue unhaltbare Bedingungen. Und das, obwohl er einen Vertrauensvorschuss von den Beschäftigten bekommen hatte, die angesichts der Verhandlungen ihre Streiks in den Kliniken Aschersleben-Staßfurt, Bernburg, Haldensleben und Schönebeck ausgesetzt hatten. Die Beschäftigten quittierten den Undank ihres Arbeitgebers, indem sie sofort in die aktive Mittagspause gingen und sich erneut mobil zeigten. ver.di kündigte an, dass die Streikpause beendet werde.

Schon im letzten Jahr hatten die Beschäftigten für einen Tarifvertrag gestreikt, der sich am öffentlichen Dienst (TVöD) orientiert. Zum Jahresende setzte Ameos die Belegschaft unter Druck und sprach fristlose Kündigungen aus. Die Beschäftigten ließen sich nicht beirren, streikten weiter und bekamen dabei viel öffentlichen Zuspruch.

Der kommerzielle Klinikkonzern nahm seine Kündigungen zurück, und im Februar gab er auch endlich seine Totalblockade gegen Tarifverhandlungen auf. Regionalgeschäftsführer Lars Timm verließ seinen Posten, als neuer kam Frank-Ulrich Wiener. Die Verhandlungen mit ver.di begannen, wenn auch unter schwierigen Bedingungen wegen Corona. Im Mai schienen sich die Wogen zu glätten. Ende Mai stand das Zwischen-ergebnis fest, ein erster Schritt hin zur Angleichung an den TVöD.

Ungefähr die Hälfte des Weges zum TVöD sei zurückgelegt, kommentierte damals ver.di-Verhandlungsführer Bernd Becker die Vorstufe hin zum kompletten Tarifwerk. Am 11. Juni torpedierte Ameos das Ergebnis wieder und stellte neue unmögliche Bedingungen zur bereits erzielten Einigung über Entgelterhöhungen und auch für die noch ausstehenden weiteren Verhandlungen: Mindestens 95 Prozent der Beschäftigten sollten nun laut Ameos einen "statischen Tarifvertrag" aus dem Jahr 2012 schriftlich anerkennen.

In dem Tarifvertrag waren seinerzeit nach der Übernahme der einst kommunalen Salzlandkliniken Einkommenskürzungen festgeschrieben worden. Diese sollten ursprünglich für fünf Jahre gelten, betriebsbedingte Kündigungen waren während dieser Zeit ausgeschlossen. Der damals ausgemachte Kündigungsschutz endete 2017, die Gehaltseinbußen aber blieben. Hunderte Beschäftigte haben deshalb Klage auf Nachzahlung der vorenthaltenen Entgelte eingereicht, was im Einzelfall mehrere tausend Euro beträgt. Die Verfahren laufen noch.

Und nun sollte die Mehrheit der Beschäftigten die schlechten Bedingungen aus 2012 erneut akzeptieren. "Unfassbar", sagte Bernd Becker. Ein solches "Tarifdiktat" werde ver.di keinesfalls unterzeichnen. Stattdessen übermittelte die Gewerkschaft dem Arbeitgeber den Vereinbarungsentwurf mit den bereits vereinbarten Entgelterhöhungen.

Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Am 23. Juli saßen ver.di und Ameos wieder an einem Tisch. Dieses Mal herrschte Einsicht, denn inzwischen hatten die Beschäftigten deutlich gemacht, das sie sofort wieder in den Streik gehen, wenn der Arbeitgeber an den unmöglichen Forderungen festhält. Das Zwischenergebnis ist nun unterschrieben. Die Hartnäckigkeit der Beschäftigten hat sich ausgezahlt.

Laut dem Zwischenergebnis sollen die Beschäftigten in Bernburg, Aschersleben-Staßfurt und Schönebeck rückwirkend ab Mai 2020 in mehreren Schritten eine Lohnerhöhung von 8 Prozent sowie zwei Einmalzahlungen von insgesamt 700 Euro erhalten. In Haldensleben, wo der Abstand zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst größer ist, soll es 8,4 Prozent plus einmalig 800 Euro geben.

Schon im Mai hatten die Beschäftigten bei einer Befragung dem Zwischenergebnis mit großer Mehrheit zugestimmt. Bis zum Auslaufen der Zwischenvereinbarung in einem Jahr soll ein vollständiger Tarifvertrag vorliegen, der nicht nur die Entgelte, sondern auch die Arbeitsbedingungen und -zeiten regelt. Es muss also noch weiter vorwärts gehen.

Marion Lühring