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Foto: Harald Hauswald/OSTKREUZ/Bundesstiftung Aufarbeitung

Das Bild "Fahnenflucht" fotografierte Harald Hauswald am 1. Mai 1987 auf dem Berliner Alexanderplatz – es ist vielleicht ein Sinnbild für den Niedergang der DDR. Ein Jahr darauf lernte ich als junger Fotograf, der inzwischen als Fotoredakteur für diese Zeitung arbeitet, den heute berühmten Fotografen Hauswald kennen.

Gemeinsam tauchten Harald und ich ein in die Kneipenwelt seines Kiezes. Wir kochten und tranken italienisch, ich brachte die Pasta und Wein mit, für die Harald mir Orwo-Papier und Filmrollen mit in den Westen gab.

Haralds Bilder der DDR sind voller Sympathie, empathisch und humorvoll, war er doch auch ein Teil dieser anderen, widerständigen Welt im sozialistischen Ostberlin. Ich bewunderte seinen Mut und seine Leidenschaft zu fotografieren. In Kneipen, auf den Straßen; Punks sowie Rentner, Gefühle und die Leere der Straßen. Nach dem Mauerfall reisten wir durch die DDR. Als sein Fahrer und Assistent lernte ich ein neues Land kennen.

1990 fuhren wir nach Italien, wo ich für Harald eine Ausstellung in Perugia organisiert hatte. Doch mit der Deutschen Einheit trennten sich unsere Wege. Die neue Zeit war auch für ihn voller Widersprüche und Verwerfungen, hart traf ihn die Einsicht in seine umfangreiche Akte "Radfahrer", die die Stasi über ihn angelegt hatte. Teile dieser Stasi-Akte, vor allem aber etwa 250, zum Teil unveröffentliche Fotografien sind nun in der ersten Retrospektive zu sehen. Christian Jungeblodt

Voll das Leben! Harald Hauswald, C/O Berlin, Amerika Haus, Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin, bis 23.01.2021, Tgl. 11–20 Uhr co-berlin.org