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Foto: Matthias Rietschel/PA/dpa

Beate Baum: Dresden rechts außen

Zu Beginn des neuen Kirsten-Bertram-Krimis von Beate Baum wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Roman Fiktion ist und keine realen Personen, Namen oder Personenzusammenschlüsse beschreibt. Der Hinweis ist nötig, denn im Roman trifft sich eine gewisse "Bedecha", Abkürzung für selbsternannte "Bewahrer des christlichen Abendlandes", wöchentlich in Dresdens Altstadt, um gegen Flüchtlinge zu demonstrieren – wer da an "Pegida" denkt, ist selbst schuld.

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Nach siebenjähriger Pause schickt die Dresdnerin Beate Baum ihre so wunderbar normale, sympathische Protagonistin in ihren achten Fall, mitten hinein ins tiefbraune Treiben. Ihre Protagonistin Kirsten Bertram plagen entgegen einem nervigen Trend der deutschen Kriminalliteratur weder diverse Süchte noch ein frühkindliches Trauma. Sie ist eine fleißig arbeitende freie Journalistin, genreuntypisch glücklich verheiratet mit einem Journalisten, mit dem sie sich aufmerksam und neugierig, unerschrocken und zielstrebig auf die Suche nach einem rechtsextremistischen Totschläger macht. Denn bei Straßenschlachten zwischen Rechtsradikalen und Antifaschisten kommt ein Bedecha-Gründungsmitglied ums Leben, schuldig soll ein Flüchtlingshelfer sein. Es entsteht eine angsteinflößende Atmosphäre um die Detektive wider Willen, die zum Opfer dramatischer Überfälle werden, bei denen auch Kirsten trotz einiger Verletzungen beherzt austeilt. Sie ist in dem Duo – zum Trio ergänzt durch einen etwas undurchschaubaren US-amerikanischen Privatdetektiv – die Reflektierende, Analytische, während der Gatte schon mal heißblütig und durchaus leichtsinnig voranprescht.

Das alles wird von der Reise- und Kulturjournalistin Baum in gutem Tempo, gradlinig und spannend erzählt, sie führt nah an ihre Charaktere heran, was im rechten Sumpf durchaus unangenehm ist. Wie weit der inzwischen ins akademische Milieu rüberschwappt und sich mit US-amerikanischen Rechtsextremisten vernetzt, ist glaubwürdig und überzeugend recherchiert; der Leserin wird Angst und Bange ob solcher Parallelen in der Realität. Im bitterernsten Kampf gegen Rechts einfach auch mal gut und intelligent zu unterhalten, ist eine nicht zu unterschätzende Kunst. Beate Baum beherrscht sie. Ulla Lessmann

Redstart Verlag, 300 S., 12,90 €

Adrian McKinty: Alter Hund, neue Tricks

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Nordirland, 1992. Polizist Sean Duffy gerät bei der Lösung eines Mordfalls an einem verdeckten Attentäter zwischen die Fronten von IRA und CIA. Der katho- lische Bulle in einem protestantischen Viertel von Belfast erzählt lakonisch, politisch und pointenreich von seinen Ermittlungen. Im neunten Fall der packenden Krimiserie ist Sean Duffy hin- und hergerissen zwischen seiner Rolle als verantwortungsvoller Familienmensch und als durchgeknallter Kerl mit Dienstwaffe. Er pendelt zwischen seinem Haus in Schottland und seinem Büro in Nordirland, gerät in lebensgefährliche Schießereien und eine wilde Verfolgungsjagd auf einem Motorrad. Und natürlich regnet es fast die ganze Zeit – da helfen dem Polizisten mit dem lockeren Mundwerk nur ausreichend Wodka und Whisky, um in die richtige Stimmung zu geraten. Es ist faszinierend, wie locker Adrian McKinty die politische Situation im Nordirland der späten 1980er und frühen 90er in seine trickreich konstruierten Geschichten packt. So entsteht eine explosive Nord- irland-Geschichtsstunde voller Sprachwitz, die aufgrund Duffys riesiger Plattensammlung zudem einen passenden Soundtrack hat. Günter Keil

Suhrkamp, ÜBERSETZUNG: Peter Torberg, 367 S., 15,95 €

Jeanine Cummins: American Dirt

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Mexiko heute. Drogenkartelle und andere Banden terrorisieren das Land, überziehen es mit Gewalt, Korruption und Angst. Knapp hundert Menschen sterben täglich in Folge der Kriminalität – auch immer mehr Frauen. Davon berichtet dieser erschütternde Roman. Ein kritischer Journalist wird auf einer Geburtstagsfeier erschossen. Mit ihm fast seine gesamte Familie. Einzig seine Frau Lydia und ihr kleiner Sohn entgehen dem Massaker. Lydia ist klar, dass sie fliehen müssen, raus aus Acapulco, raus aus Mexiko. Denn hier erwartet sie nur noch der Tod. Doch die Häscher sind ihnen schon auf der Spur. Damit sind alle regulären Reisewege zu gefährlich. Sie schließen sich dem verzweifelten Treck der Migranten an, die aus ganz Mittelamerika in Richtung USA ziehen. Diese Fluchtgeschichte ist oft schwer zu ertragen, in all ihrer Brutalität und Ausweglosigkeit. Gleichzeitig erzählt sie aber auch von Menschlichkeit, Solidarität und Freundschaft. Von der Hoffnung, sich vielleicht in eine bescheidene Zukunft retten zu können. Ein wichtiges Buch, absolut beeindruckend und fesselnd bis zum Schluss. Tina Spessert

Rowohlt Tb, ÜBERSETZUNG: Katharina Naumann, 556 S., 15 €