New Deal heißt Mut zum Konflikt – Alle Welt spricht heute von der Notwendigkeit eines "New (Green) Deal", um die Klimakrise in den Griff zu bekommen – so es nicht überhaupt schon zu spät ist. Die, die den Begriff verwenden, wollen damit ausdrücken, dass sich radikal etwas ändern muss und auch ändern kann – so wie in den 1930er Jahren, als der Roosevelt-Regierung mit dem berühmten "New Deal" ein fortschrittlicher Ausweg aus der schweren Wirtschaftskrise gelang.

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Aber inzwischen sind fast 100 Jahre ins Land gegangen. Kann da der Rooseveltsche New Deal uns heute überhaupt noch etwas lehren? Der Wissenschaftler Steffen Lehndorff hat sich genau diese Frage gestellt. In einer angenehm zu lesenden, mit netten Anekdoten gespickter Analyse kommt er zu dem Ergebnis, dass wir heute nicht nur viel lernen können aus dem, was gemacht wurde, sondern auch daraus, wie es gemacht wurde.

Das "was" hat der Autor übersichtlich in einer detailreichen Tabelle zusammengestellt. Die angeführten 20 Maßnahmen umfassen massive Ausgabenprogramme, mit denen Arbeitslose sofort in sinnvolle Arbeit für die Allgemeinheit gebracht wurden (Aufforstung, Staudammbau, Infrastrukturprojekte), Schritte zum Aufbau des Sozialstaats, aber auch die rechtliche Absicherung gewerkschaftlicher Organisation oder die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Gleichzeitig wurde zur Finanzierung mit drastischen Steuererhöhungen für Reiche und Erben beigetragen und auch nicht vor öffentlichen Schulden oder Eingriffen in die Rechte von (Groß)Unternehmen zurückgeschreckt.

Fast wichtiger sieht Lehndorff aber das "wie": Es wurde ebenso beharrlich wie beherzt experimentiert. Überall wurde Neuland betreten. Roosevelt hielt das Experimentieren für sinnvoller als erstmal einen großen Masterplan zu erarbeiten. Den gab es nie.

Insofern plädiert Lehndorff angesichts der heutigen Probleme für eine "undogmatische, tabufreie Suche nach Lösungen", für entschlossene demokratische Führungsstärke, für identitätsstiftende Reformprojekte mit Symbolkraft, etwa durch den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur. Dabei dürfe die Regierung nicht vor Konflikten zurückschrecken, auch nicht vor mächtigen Wirtschaftsinteressen. So könne der Funke energischen Handelns wie damals auf die Bevölkerung überspringen. Utopisch? Vielleicht. Aber eben nicht beispiellos. Ansonsten sieht es schlecht mit einem "New Deal" aus, der wie damals das Ruder herumreißt. Norbert Reuter

Steffen Lehndorff: New Deal heißt Mut zum Konflikt. Was wir von Roosevelts Reformpolitik der 1930er Jahre heute lernen können, VSA Verlag, Hamburg, 94 Seiten, 10 €, ISBN 978-3964880734