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Zur sozialen Teilhabe zählen auch MuseumsbesucheFoto: Pawel Opaska/ddp

Um sieben Euro sollte der Regelsatz für Alleinstehende in der Grundsicherung steigen, von 432 auf 439 Euro. Das stand im Sommer in einem Entwurf des Kabinetts. Dann hat das Bundesarbeitsministerium noch einmal weitere sieben Euro draufgelegt. 446 Euro für eine*n Alleinstehende*n stehen jetzt in dem Gesetzentwurf, den Bundestag und Bundesrat im November beraten werden.

Doch diese Rechenspielereien täuschen über zwei Dinge nicht hinweg. Zum einen sind die zusätzlichen sieben Euro keine Großzügigkeit des Bundesarbeitsministers. Das Ministerium hat lediglich einen gesetzlich vorgeschriebenen Rechenschritt nachgeholt: Der Entwurf des Kabinetts basierte noch auf Daten zur Preis- und Leistungsentwicklung aus 2018 (ver.di publik berichtete). Zum anderen, und das ist viel schwerwiegender, wird bei einer Summe von jetzt 446 Euro klar, dass die Regelsätze in der Grundsicherung nicht zur Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben reichen. Sie liegen weiterhin weit unter der Armutsschwelle, sind existenzbedrohend. Und die krisenbedingten Mehrausgaben in der Corona-Pandemie werden immer noch nicht ausgeglichen, einen entsprechenden Antrag hat die Mehrheit im Bundestag im Mai abgelehnt. Die Gewerkschaften hatten sich für einen Corona-Zuschlag von 100 Euro pro Monat ausgesprochen.

Das Bündnis "AufRecht", ein Zusammenschluss von gewerkschaftlichen Arbeitsloseninitiativen und Sozialverbänden, hat für den 30. und 31. Oktober zu einem Aktionstag aufgerufen (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe der ver.di publik). Geplant sind dezentrale pandemiekonforme Aktionen, zum Beispiel Infostände vor den regionalen Büros demokratischer Parteien, in Innenstädten oder vor Supermärkten.

Rund sieben Millionen Menschen sind in Deutschland auf Grundsicherungsleistungen angewiesen, darunter zahlreiche Alleinerziehende, Erwerbstätige mit Niedriglöhnen, Erwerbslose, Erwerbsminderungsrentner*innen und Menschen, die von Altersarmut betroffen sind. ver.di kritisiert schon seit Jahren die Berechnungsgrundlage für die Regelsätze. Herangezogen werden statistische Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Beliebige Streichungen für einzelne Vergleichsgruppen und ermittelte Ausgaben wie beispielsweise für Balkonpflanzen, Buntstifte und Tierfutter dienen aber nach ver.di-Ansicht dazu, den Regelsatz künstlich herunterzurechnen, um so die Kosten zu senken. Das Verfahren wurde 2011 entwickelt.

Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht im Juli 2014 die Methodik der Regelbedarfsermittlung für zulässig erklärt und die Höhe der Regelbedarfe für "noch verfassungskonform" befunden. Allerdings war der Auftrag an den Gesetzgeber, Aspekte wie die Anschaffungskosten einer Waschmaschine oder Energiekosten besonders zu berücksichtigen. So sollte eine Bedarfsunterdeckung vermieden werden. Das habe die Bundesregierung bislang noch nicht erfüllt, moniert ver.di in dem Newsletter sopoaktuell Nr. 297.

Gemeinsam mit dem DGB kritisiert ver.di, dass die Regelsätze zu niedrig sind. Sie schützen nicht ausreichend vor Armut und stellen kein ausreichendes Maß an sozialer Teilhabe sicher. Im Rahmen des Aktionstages sollen zur Unterstützung der Forderung nach höheren Regelsätzen, die zum Leben reichen, Unterschriften gesammelt werden. Die Listen können auch unter erwerbslos.de heruntergeladen werden. Ohne die Nachbesserung der Regelsätze bleibe die soziale Teilhabe für die Betroffenen ein leeres Versprechen. Auch von wirksamer Armutsbekämpfung könne dann nicht die Rede sein, heißt es in einem Aufruf des Bundeserwerbslosenausschusses von ver.di.

Die entscheidende Beschlussfassung im Bundestag ist übrigens für den 5./6. November geplant, Ende November soll dann der Bundesrat darüber diskutieren und abstimmen.

erwerbslose.verdi.de

Regelbedarfsstufen 2020 und 2021* in Euro je Monat *lt. Gesetzentwurf

Alleinstehende

2020 432 Euro
2021 446 Euro

Volljährige Partner*innen

2020 389 Euro
2021 401 Euro

Kinder unter 25 im Elternhaus

2020 345 Euro
2021 357 Euro

Kinder von 14 bis 17

2020 328 Euro
2021 373 Euro

Kinder von 6 bis 13

2020 308 Euro
2021 309 Euro

Kinder unter 6 Jahren

2020 250 Euro
2021 283 Euro

*lt. Gesetzentwurf