Ausgabe 07/2020
Nach 40 Jahren endlich weiter?
Coronabedingt war die Liste der Vorschriften hart, die bei dieser ganz besonderen Gedenkfeier am Haupteingang der Münchner Theresienwiese galten. Nur persönlich eingeladene Gäste durften im Freien auf für sie namentlich vorgemerkten Stühlen vor dem bisher einzigen bestehenden Mahnmal Platz nehmen, um der 1980 bei dem neofaschistischen Bombenanschlag auf das damalige Oktoberfest Umgekommenen zu gedenken. Und der Einweihung einer in den vorhergehenden Jahrzehnten nicht vorhandenen"Dokumentation Oktoberfest-Attentat" beizuwohnen.
Eine künstlerische Dokumentation: Dicht gedrängt steht da eine Melange aus in Lebensgröße präsentierten Silhouetten von Menschen, große und kleine jederlei Geschlechts, typisch fürs alljährliche Wiesn-Publikum. Und da sind Informationstafeln zum mörderischen Geschehen im Herbst 1980, zu den Opfern und Verursachern. Über die ultrarechte "Wehrsportgruppe Hoffmann" etwa, mit der der Bombenleger Gundolf Köhler Verbindung hatte. Aber auch zu dem damals offiziellen Herunterspielen der Bedrohungen durch die Hoffmann-Gruppe, besonders durch den damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, CSU, 1980 der Kandidat der Unionsparteien für die Wahl zum Bundeskanzler.
Die Mär vom Einzeltäter
Die "Einzeltäter"-Theorie, den beim Anschlag damals umgekommenen Bombenleger Köhler betreffend, hielt sich über Jahrzehnte. Deren "Wiedergänger" – sei es beim Umgang mit den NSU-Morden oder anderen Attacken der extremen Rechten – sind aktueller denn je. Immer wieder führen sie auch zu Strukturen der "Sicherheitsorgane" unserer Demokratie. Mal Polizei, mal Bundeswehr, mal Geheimdienste.
Deshalb war diese Feier am Oktoberfest-Eingang ein aufschlussreiches Erlebnis: Neben Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, SPD, der sich an diesem Ort schon seit langem beachtlich engagiert, gaben Bundespräsident Frank-Walter-Steinmeier, SPD, und auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU, klare Stellungnahmen gegen Neofaschismus und Rechtsextremismus ab. Beide wiesen auch auf vorangegangene Versäumnisse im politischen und juristischen Umgang damit hin.
Nach 40 Jahren wurde jetzt etwas umfassender gemeinsam gedacht. Ein neues, wesentlich informativeres zusätzliches Mahnmal wurde eingeweiht. Unbedingt positiv zu werten bleibt, dass den bisher kaum beachteten Überlebenden und Nachkommen der Ermordeten des rechtsextremen Anschlags nach 40 Jahren erstmals öffentlich wirklich Anerkennung gezollt wurde. Ihre Entschädigungsforderungen finden vielleicht endlich Beachtung. Ihre Vertreter*innen, Gudrun Lang, Renate Martinez, Robert Höckmayr und Dimitrios Lagkandinos wussten anschaulich und ergreifend von ihren Erfahrungen zu erzählen.
Wie auch das Medienecho danach zeigte, wurde das jahrzehntelange Engagement des Rechtsanwalts Werner Dietrich für die Rechte der Anschlags-Opfer und ihrer Angehörigen ebenso etwas ausführlicher gewürdigt wie auch das des Journalisten Ulrich Chaussy. Chaussy gibt nach wie vor nicht auf, über Zusammenhänge dieses Anschlags und Verbindungen aufzuklären und sie offenzulegen.
Es war eine Feierlichkeit, bei der trotz Kälte, Regen und der Corona-Auflagen die meisten der Eingeladenen geduldig aushielten. Doch eigentlich muss es jetzt erst losgehen. Darauf hatte auch Pia Berndt von der DGB-Jugend bei der Eröffnung eindringlich hingewiesen: "Denn es ist unser aller Pflicht gegenüber den Opfern, den Überlebenden und der Gesellschaft, dem Oktoberfest-Attentat zu gedenken, damit es niemals in Vergessenheit gerät!"