Ausgabe 03/2021
Lieferdienst und KunstKiosk
Seit mehr als einem Jahr finden die meisten Kulturveranstaltungen wegen der Corona-Pandemie nicht statt. Oder es braucht kreative Ideen und bürokratischen Aufwand, um sie dennoch zu ermöglichen. "Wenn das Publikum nicht zur Kultur kommen kann, dann muss halt die Kultur zum Publikum", sagt Benjamin David, Initiator des "Kulturlieferdiensts" und ver.di-Mitglied.
David ist überzeugt, dass Kunst und Kultur auch in dieser Zeit sichtbar bleiben müssen. Gemeinsam mit anderen Künstler*innen und seinem Netzwerk in der Münchner Kulturszene schuf er einen neuartigen Lieferdienst. Mit Kulturveranstaltungen hat er Erfahrung: Er organisierte unter anderem das "Streetlife-Festival", den "Corso Leopold" oder den "Kulturstrand Isar".
Den Lieferdienst beschreibt der Münchner als eine Art Mini-Straßenfest mit politischer Botschaft. "Kunst und Kultur müssen sichtbar bleiben in Zeiten der Pandemie, nur so haben wir auch eine Chance gehört zu werden." So sollen etwa Autostraßen durch seine Ideen zu Konzertsälen werden. 50 bis 200 Besucher könnten dann vor Ort vom Kulturprogramm profitieren.
Kurze Auszeit vom Lockdown
Über 100 Veranstaltungen mit Dutzenden Künstlern haben bereits stattgefunden, "sozusagen als eine kurzzeitige Auszeit vom Lockdown". Dabei werde aber streng auf die Einhaltung der Corona-Bestimmungen geachtet. Maske und Abstand seien Pflicht. Ganz so schnell wie ein Lieferdienst für Pizza, Döner und Co. sei der kulturelle nicht. Mindestens 96 Stunden Vorlauf benötigten die Organisatoren, denn die Veranstaltungen werden offiziell als Demonstration angemeldet. Akustisch ähneln sie so ein wenig dem 1. Mai mit politischem Charakter und Musikeinlagen.
Warum solche Veranstaltungen? Die Soforthilfen und Rettungsmittel kommen im Kulturbereich kaum, zu spät oder gar nicht erst an, Künstler*innen haben keine Bühne. "Das muss besser werden: Künstler sind Selbstständige und keine Verwaltungsexperten", sagt der 44-jährige Initiator.
Ein ähnliches Projekt planen derzeit bildende und Aktions-Künstler*innen in ver.di. Hierzu wandert ein Kiosk künftig als mobiler Ausstellungsraum auf verschiedenen Plätzen durch die Stadt. Gezeigt und angeboten werden sollen in diesem "KunstKiosk" Bilder, Zeichnungen, Grafiken, Fotos, Objekte, Kunstbücher, Postkarten, Plakate oder Literatur.
"Kunstwerke verlassen Ateliers, Werkstätten, Galerien, Museen und kommen den Menschen nahe. Auch denen, die sonst die Schwellen und Portale des etablierten Kunstbetriebs nicht überwinden", sagt Hans-Peter Berndl, der gemeinsam mit Wolfram Kastner das Projekt kuratiert. Das habe gerade in pandemischen Situationen, in denen Museen geschlossen und Atelierbesuche kaum möglich seien, eine besondere Bedeutung.
"Kunst wird als 'systemrelevanter' Bestandteil der Gesellschaft im Zentrum der Stadt wahrnehmbar – nicht nur als Projektion", findet Hans-Peter Berndl. Eine Woche soll der Kiosk jeweils als Begegnungsstätte an einem Ort verweilen, bevor er wieder weiterzieht.
Informationen zum "Kulturlieferdienst" gibt es auf isarlust.org oder fb.com/kulturlieferdienst. Termine zum "KunstKiosk" werden unter anderem auf vbk-oberbayern.de oder berndl-art.de veröffentlicht.
Andreas Reinshagen