Amazon braucht Regeln

EUROPA I – Ende Mai fand im Europäischen Parlament eine Anhörung zu Unternehmenspraktiken des Versandhändlers Amazon statt. Geprüft werden sollte dabei auch die "aggressive Strategie innerbetrieblicher Kontrolle", die der ver.di-Bundesfachgruppenleiter für den Einzel- und Versandhandel, Orhan Akman, als Kennzeichen der Betriebspolitik bezeichnete. Konkret wirft ver.di dem Konzern vor, mittels Künstlicher Intelligenz und digitaler Prozesse die Beschäftigten rund um die Uhr zu scannen. Visuelle oder akustische Signale sorgten permanent dafür, dass die Kontrolle immer wieder ins Bewusstsein gerufen werde. "Durch den Einsatz von Kameras, Mikrofonen und Scannern werden die Beschäftigten zu gläsernen Menschen", so Akman. Das mache enormen psychischen Druck und vor allem krank. Möglich seien derartige Auswüchse, weil ver.di und Betriebsräte nicht in Amazons Digitalisierungsprozesse einbezogen würden. "Wir brauchen klare Regeln für die Entwicklung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Algorithmen am Arbeitsplatz, damit digitale Prozesse im Betrieb nicht gegen fundamentale Interessen und Rechte der Beschäftigten zum Einsatz kommen", sagte Akman. Das Europäische Parlament müsse dafür sorgen, dass in allen europäischen Ländern gleiche Standards herrschten, damit die Beschäftigten nicht gegeneinander ausgespielt würden.

Übermüdung im Transportverkehr

EUROPA II – Jeder dritte Berufskraftfahrer ist im vergangenen Jahr mindestens einmal hinter dem Steuer eingeschlafen – so das Ergebnis einer Studie der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF). Für die Studie wurden knapp 3.000 Berufskraftfahrer*innen befragt. Lange und unvorhersehbare Arbeitszeiten, niedrige Löhne, mangelhaft gewartete Fahrzeuge, schlechte Schlaf- und Ruhemöglichkeiten, so lassen sich die Arbeitsbedingungen zusammenfassen. Sie alle tragen zur Übermüdung der Fahrer*innen bei, gefährden die Sicherheit auf den Straßen und erhöhen das Unfallrisiko. Die Maßnahmen dagegen seitens der Arbeitgeber, aber auch auf politischer und gesetzlicher Ebene sind unzureichend, lautet ein weiteres Ergebnis der Studie. Insgesamt vertritt die ETF als Zusammenschluss von mehr als 200 Transportgewerkschaften über fünf Millionen Transportarbeiter*innen in 40 Ländern. Mehr erfahren unter etf-europe. org/activity/bus-and-coach-road

Gewerkschaftswahl: Stimmen vernichtet

MEXIKO – Die USA haben ihre erste Beschwerde gegen Mexiko im Rahmen des Freihandelsabkommens zwischen den USA, Mexiko und Kanada (USMCA) eingereicht. Der Anlass: Bei einer Abstimmung unter mehr als 6.000 Beschäftigten eines General-Motors-Werkes im nordmexikanischen Silao Ende April darüber, ob sie ihre derzeitige Gewerkschaft behalten wollen, wurden angeblich Stimmzettel vernichtet. Washington berief sich daraufhin auf den "Rapid-Response"-Mechanismus im Rahmen des Handelspakts. Der Mechanismus erlaubt es einem Gremium, festzustellen, ob Mexiko die Arbeitsgesetze durchsetzt, die es den Beschäftigten unter anderem erlauben, ihre Gewerkschaft frei zu wählen und über Tarifverträge und die Gewerkschaftsführung abzustimmen. Andernfalls könnten Sanktionen verhängt werden, einschließlich Importverboten in die USA. Der Hintergrund: Jahrzehntelang unterzeichneten korrupte mexikanische Gewerkschaften hinter dem Rücken der Beschäftigten "Schutzverträge" mit niedrigen Löhnen, oft bevor die Werke überhaupt gebaut wurden.