Pflegekräfte verdienen mehr

Handelsblatt, 18. Juni 2021

Gerade die Pflegebranche ist durch eine zersplitterte Tariflandschaft und vielfältige Verhandlungsarenen gekennzeichnet. Außerdem waren Pflegeberufe lange Zeit weiblich dominierte "Zuverdienerinnenberufe", viele Pflegekräfte sind nicht gewerkschaftlich organisiert. Doch sollen sie deshalb auf eine faire Entlohnung verzichten? Der bisweilen zum Fetisch erhobene Markt wird das Problem niedriger Bezahlung in der Pflege jedenfalls nicht lösen können. Corona hat zwar die Debatte über den Wert sozialer Dienstleistungen neu belebt. Die viel beschworene "Systemrelevanz" dürfte dazu beigetragen haben, dass in der Tarifrunde 2020 des öffentlichen Dienstes mit Lohnerhöhungen für Pflegekräfte um 8,7 Prozent und für Intensivpflegekräfte um zehn Prozent bis Ende 2022 ein durchaus respektabler Abschluss erzielt wurde. [...] Aber auch wenn diese Lohnsteigerungen zuletzt über dem Durchschnitt lagen, sind gerechte Pflegelöhne immer noch nicht in Sicht.

Bemerkenswert

die tageszeitung, 28. Juni 2021

Im Jahr 2010 veröffentlichte die Internationale Transportarbeiter*innen-Förderation (ITF) ein bemerkenswertes Dokument zu nachhaltiger Mobilität. Dessen Kernbotschaft lautete reduce, shift, improve: unnötige Personen- und Gütertransporte vermeiden, Verkehr auf umweltfreundliche Transportmittel verlagern, alle Möglichkeiten zur Reduzierung von CO₂-Esmissionen ausschöpfen. Bemerkenswert war das Dokument zum einen wegen dieser Botschaft. [...] Zum anderen war es der Urheber, der das Dokument so bemerkenswert machte. Die ITF vereinigt nationale Gewerkschaften des Transport- und Verkehrssektors, darunter ver.di und die EVG aus Deutschland. Es handelt sich also um eine Lohnabhängigen-Vertretung, von der man annehmen könnte, dass sie einen wachsenden Transportsektor befürwortet. Stattdessen wartete die ITF mit einer kritischen Analyse des globalisierten Kapitalismus und der sozial-ökologischen Probleme des Güter- und Personentransports auf.[...] Aber die Risse im automobilen Konsens werden tiefer. Vielerorts formieren sich Initiativen, die für autofreie Innenstädte streiten, sich für Rechte von Radfahrer*innen und Fußgänger*innen einsetzen und für eine bessere Infrastruktur-Ausstattung ländlicher Räume kämpfen. Beschäftigte der Autoindustrie fragen sich, ob sie ihre Kompetenzen nicht besser für gesellschaftlich sinnvolle Produkte und Dienstleistungen verwenden sollten. Sie alle würden davon profitieren, wenn sich Akteure wie die Gewerkschaften auf ihre Seite schlügen. Die ITF hat dafür schon vor elf Jahren wichtige Argumente und Orientierungen geliefert. In Deutschland hat ver.di im vergangenen Herbst zusammen mit Fridays for Future für bessere Arbeitsbedingungen und einen Ausbau des ÖPNV gekämpft. Die IG Metall könnte folgen: vor allem, indem sie ihr gesellschaftspolitisches Engagement zugunsten einer sozial-ökologischen Mobilitätswende intensiviert. Dazu bedarf es der Bereitschaft, sich mit mächtigen Interessen anzulegen.

Großer Erfolg

Welt.de, 1. Juli 2021

An diesem Donnerstag geht das Berliner Stromnetz erstmals seit 1997 wieder offiziell in öffentliche Hand über. [...] Beide Seiten einigten sich auf einen Kaufpreis in Höhe von 2,14 Milliarden Euro. Das Land übernimmt dafür neben der Infrastruktur das gesamte Unternehmen mitsamt Technik und aller Beschäftigten – zur Freude der Gewerkschaft Verdi. "Es ist für uns ein großer Erfolg, dass alle unsere Tarifwerke weiter gelten", teilte jüngst der zuständige Gewerkschaftssekretär Robin Marks mit.