„Stop“, heißt es drei Kilometer vor der polnisch-belarussischen Grenze. Anfang September hat Polens Präsident Andrzej Duda den Ausnahmezustand entlang der 418 Kilometer langen Grenze zu Belarus verhängt. Die nationalpopulistische Mora­wiecki-Regierung von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte den Sperrzonen- und Zensur-Antrag gestellt, da sie glaubte, anders mit illegalen Grenzübertritten von Migranten nicht fertig werden zu können. Im August hätten rund 3.000 Menschen versucht, die Grenze illegal zu überschreiten, gab Polens Grenzschutz bekannt. Seither ist es Journalist*innen und Ortsfremden verboten, die Grenzzone zu betreten. In den 183 Orten, die in dem Grenzstreifen liegen, dürfen keine Interviews gemacht, keine Fotos geschossen und erst recht keine Fernsehbilder gedreht werden.

Polens Bürger*innen können sich jetzt kaum noch aus heimischen Medien über die Flüchtlingskrise und die Situation an der Ostgrenze Polens informieren. Die Propagandafunktionäre des Lukaschenko-Regimes hingegen sehen ihre Chance gekommen und verbreiten seit Anfang September auch in Polen Bilder von schutzsuchenden Flüchtlingen, die vom belarussischen Roten Kreuz mit Essen und Trinken, warmer Kleidung und aufgefüllten Powerbanks für ihre Handys versorgt werden. Dann schwenken die Kameras auf die polnische Seite, wo schwerbewaffnete und maskierte Soldaten zu sehen sind, die statt den 32 Afghanen – darunter vier Frauen, ein 15-jähriges Mädchen und ein 17-jähriger Junge – zu helfen, Stacheldrahtrollen bis zu einer Höhe von 2,50 Meter aufeinanderstapeln, um die bislang grüne Grenze zu befestigen.

Noch ist unklar, wie Polens Medienschaffende auf die erneute Einschränkung der Pressefreiheit in ihrem Land reagieren werden. Der Ausnahmezustand gilt zunächst für einen Monat, der Präsident kann ihn aber um weitere drei Monate verlängern. Möglich wären Publikationen unter ­Pseudonym, wie bereits in den Jahren ab 1981, als der kommunistische General Wojciech Jaruzelski das Kriegs- oder Ausnahmerecht über Polen verhängt hatte. Möglich wäre auch eine Protestaktion wie Mitte August, als über 1.000 Journalist*innen aus ganz Polen mit ihrer Unterschrift für den Fortbestand des unabhängigen Privatsenders TVN eingetreten waren.

Gewerkschaften ohne großen Einfluss

Der Sender ist den regierenden Nationalpopulisten ein Dorn im Auge, da er anders als der Regierungssender TVP, dem früheren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Skandale innerhalb der PiS, Korruption, Vetternwirtschaft und Misswirtschaft publik macht. Mit einem speziellen Gesetz soll der Eigentümer des Senders, der amerikanische Medienkonzern Discovery, dazu gezwungen werden, entweder Anteile von TVN an polnische Investoren zu verkaufen oder aber den Sender in Polen ganz zu veräußern. Das Verschwinden von Discovery würde die ohnehin immer schwieriger werdende Situation der unabhängigen Medien in Polen weiter schwächen.

Ende letzten Jahres hatte der PiS-kontrollierte Mineralölkonzern ORLEN den Verlag Polska Press mit 20 regionalen Tages­zeitungen, rund 150 lokalen Wochen­zeitungen und 500 Webportalen gekauft. Inzwischen wurden fast alle bisherigen Chefredakteure der Tageszeitungen durch PiS-loyale Redakteure ausgewechselt. Da auch die Journalisten-Gewerkschaften in Polen sich längst in zwei Lager gespalten haben – pro und contra PiS – haben sie stark an Bedeutung verloren und kaum noch Einfluss auf die Mediensituation im Lande.

Gabriele Lesser