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Illustration: ver.di

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt. In der kommenden Legislaturperiode wird sich entscheiden, ob es gelingt, die vielen Herausforderungen, vor denen wir stehen, anzugehen. Ob wir das Land fit für die Zukunft machen können und ob es dabei sozial gerecht zugeht.

Das gilt insbesondere für die Klimapolitik. Der aktuelle Weltklimabericht der Vereinten Nationen zeigt die Gefahr auf, dass die Erderwärmung sich beschleunigt und die Temperaturen schon bis 2030 um durchschnittlich 1,5 Grad steigen. Nicht erst bis 2040, wie bislang angenommen. Die Flutkatastrophen und Waldbrände in diesem Sommer haben gezeigt, wie gefährlich sich der Klimawandel auf unser alltägliches Leben auswirkt. Deshalb müssen wir entschlossen handeln, wir brauchen massive Investitionen in den Hochwasserschutz, in den Städtebau – damit ein Überleben in städtischen Ballungsräumen trotz steigender Temperaturen möglich ist –, in erneuerbare Energien und Stromtrassen, in den öffentlichen Personennahverkehr, die Digitalisierung und viele Dinge mehr.

Das alles muss sozial vonstatten gehen. Die Beschäftigten, die vom Kohleausstieg betroffen sind, brauchen Perspektiven. Und der ökologische Umbau darf auch nicht zulasten von Gering- und Normalverdiener*innen gehen und die Gesellschaft noch weiter spalten. Steigende Benzin-, Strom- oder Heizkosten dürfen nicht dazu führen, dass sich Menschen mit durchschnittlichen oder geringen Einkommen keinen Urlaub oder keinen neuen Schulranzen fürs Kind mehr leisten können.

Deshalb fordern wir von der künftigen Bundesregierung die Einführung eines Energiegelds, das die Einnahmen aus den Abgaben, die auf den Ausstoß von Treibhausgasen bereits erhoben werden – der sogenannte CO₂-Preis –, an die Menschen zurückgibt. Und zwar sozial gestaffelt: Gutverdienende werden mehr für Energie zahlen, da sie in der Regel mehr verbrauchen. Sie sollten aber weniger bis gar kein Energiegeld zurückbekommen, während Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen, auch Rentnerinnen und Rentner, besonders profitieren sollten.

Am Scheideweg stehen wir auch, was die Rente für Millionen von Bürger*innen angeht. Mit gezielter Panikmache vor angeblich nicht finanzierbaren Renten fordern Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände die Erhöhung des Renteneintrittsalters. Dem erteilen wir eine klare Absage. Schon jetzt erreichen viele arbeitende und gerade ärmere Menschen die Regelaltersgrenze nicht. Eine weitere Erhöhung wäre ein Rentenkürzungsprogramm für sie. Wir fordern stattdessen maßvoll steigende, paritätisch finanzierte Beitragssätze. Und eine Erhöhung des Rentenniveaus – denn das existierende niedrige Rentenniveau bedeutet heute schon für viele, vor allem Frauen, Altersarmut.

Nicht zuletzt muss die kommende Bundesregierung unser Gesundheitssystem vom Kopf auf die Füße stellen. In der Pandemie haben wir die verheerenden Folgen der Profitmaximierungslogik des Gesundheitswesens zu spüren bekommen. Überall wird am Personal gespart – mit der Konsequenz, dass die Kolleg*innen etwa in der Kranken- und Altenpflege ständig überlastet sind. Viele von ihnen fliehen aus dem Beruf oder arbeiten in Teilzeit, weil sie die Belastungen nicht aushalten.

Wir brauchen endlich eine deutlich bessere Personalausstattung, die sich an den Anforderungen für eine gute Pflege orientiert und nicht an möglichst hohen Gewinnen durch möglichst viele Operationen, die durchgeschleust werden. In der Altenpflege bedarf es einer spürbar besseren Bezahlung für unsere Kolleginnen und Kollegen. Zudem fordern wir den Ausbau der Pflegeversicherung zu einer wirklich solidarischen Versicherung, in die alle Bürger*innen in unserem Land gleichermaßen einzahlen, die dann alle pflegebedingten Kosten trägt und den Pflegebedürftigen nicht immer weiter steigende Eigenanteile aufbürdet.

Wir mischen uns ein

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Frank Werneke, ver.di-VorsitzenderFoto: Kay Herschelmann

Zum Nulltarif gibt es das alles nicht. Die Investitionen in einen sozial gerechten Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft, um den klimaschädlichen Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren – in den ÖPNV, ins Gesundheitswesen, in Kitas, in die Digitalisierung – kosten. Aber: Deutschland kann sich das leisten. Wie nach der Finanzkrise werden wir auch aus den Corona-bedingten Schulden herauswachsen. Wir lehnen alle Pläne ab, die darauf hinauslaufen, beim Sozialen zu sparen, um unnötigerweise Kredite frühzeitig zu tilgen. Die Schuldenbremse, die in der Pandemie ausgesetzt wurde, muss zumindest dauerhaft ausgesetzt, am besten ganz abgeschafft werden – denn in der Praxis ist sie eine Investitions- und Zukunftsbremse und führt zu maroden Brücken, Kitas, Schienen.

Das alles ist möglich. Deutschland ist ein reiches Land, nur ist der Reichtum sehr ungleich verteilt. Das reichste Promille der Bevölkerung besitzt ein Viertel des gesamten Vermögens. Gleichzeitig tragen die Reichen zu wenig zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Für Menschen mit Vermögen und großen Erbschaften ist Deutschland eine Steueroase. Wir fordern deshalb einen höheren Spitzensteuersatz, eine höhere Besteuerung von Kapitaleinkünften, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine stärkere Besteuerung hoher Erbschaften und eine Digitalsteuer für Konzerne wie Amazon, Google und Co. – die bisher kaum Steuern zahlen.

Am 26. September und in den anschließenden Koalitionsverhandlungen werden die Weichen neu gestellt. Wir mischen uns ein, damit die Richtung stimmt. Es besteht auch bei dieser Wahl wieder die Gefahr, dass die AfD mit ihrer demokratie- und arbeitnehmerfeindlichen und menschenverachtenden Politik ein starkes Wahlergebnis einfährt. Das müssen wir verhindern – kein Fußbreit den Demokratiefeinden, den Rechten und Rassisten!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es in der Hand. Am 26.September. Ich rufe euch auf: Macht von eurem Stimmrecht Gebrauch und geht wählen!

Frank Werneke,
ver.di-Vorsitzender