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Zur ersten Verhandlungsrunde für die Beschäftigten der Länder sind am 8. Oktober auch studentische Beschäftigte zum Kulturforum in Berlin gekommen, um ihrer Forderung nach einem eigenen Tarifvertrag Nachdruck zu verleihenFoto: Stephan Pramme

Endlich ist das Thema ein Thema, sagt Hannah Grondmann. Die Studentin aus Göttingen ist eine von etwa 250 Aktiven, die sich für die tarifliche Bezahlung von studentischen Beschäftigten an deutschen Hochschulen einsetzen. Sie fordern einen Tarifvertrag, kurz: einen TVStud, der den rund 300.000 studentischen Beschäftigten in Deutschland bessere Arbeitsbedingungen sichern soll.

Niedrige Löhne, extrem kurze Vertragslaufzeiten, Kettenbefristungen und die daraus resultierende Planungsunsicherheit gehören für studentische Beschäftigte zum Arbeitsalltag. Dabei gilt an den deutschen Hochschulen bereits ein Tarifvertrag, nämlich der für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Doch die studentischen Beschäftigten sind von ihm ausdrücklich ausgenommen. Bisher konnte nur in Berlin ein TVStud für studentische Beschäftigte erstritten werden. Hannah Grondmann und ihre Kolleg*innen aus den derzeit etwa 25 TVStud-Initiativen wollen das jetzt bundesweit ändern. Unterstützt werden sie dabei von ver.di und der GEW.

Keine Ausnahmen mehr

Der erste große Aufschlag: Zum Start des Sommersemesters 2021 haben die Aktiven der TVStud-Initiativen gemeinsam die Kampagne "Keine Ausnahme" ins Leben gerufen. Mit einer Petition richteten sie sich an die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) und die zuständigen (Landes-)Minister*innen. Knapp 5.000 Unterzeichner*innen unterstützten die Forderungen nach existenzsichernden Löhnen, jährlichen Lohnsteigerungen, Mindestvertragslaufzeiten und der Abschaffung von Kettenbefristungen. Um die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern, setzte die Kampagne darüber hinaus auch auf die Einhaltung von Mindeststandards, wie etwa beim Urlaubsanspruch und der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, sowie auf die Gewährung des Mitbestimmungsrechts für studentische Beschäftigte.

"Das Besondere an der TVStud-Bewegung ist, dass wir viele junge Leute sind, die sich auch in die Gewerkschaft eingliedern", sagt Hannah Grondmann über den Mitgliederzuwachs von Studierenden bei ver.di, der seit dem Start der Kampagne zu verzeichnen ist. "Es können einfach viele Menschen an unsere Themen anknüpfen", so die Studentin.

Als einen Höhepunkt der Kampagne "Keine Ausnahme" empfindet die zuständige ver.di-Sekretärin Isabella Rogner immer noch den Aktionstag am 6. Juli 2021 in Hannover. Hier diskutierten die Studierenden unter anderem mit Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. "Mit ihrem Engagement haben die Studierenden einen super Anstoß für die Forderungsdiskussionen zur Tarifrunde der Länder gegeben", sagt Rogner. Und mit diesem frischen Schwung haben sie es nun tatsächlich in die aktuellen Gespräche zum TV-L geschafft.

Isabella Rogner wertet es als "riesigen Erfolg", dass die ver.di-Bundestarifkommission eine Verhandlungszusage für die Tarifierung studentischer Beschäftigter an Hochschulen zwar nicht fordern kann, aber erwartet. "Das ist echt ein großer Vertrauensvorschuss", sagt auch Christian Rettig, Student an der Fachhochschule Münster. Er hat die dortige TVStud-Initiative mit ins Leben gerufen und weiß, wie wichtig eine zeitnahe Aktionsplanung für die weitere Mobilisierung der studentischen Beschäftigten ist. Aufgrund der kurzen Vertragslaufzeiten für studentische Beschäftigte und Studienzeiten von drei bis fünf Jahren gibt es im Vergleich zu anderen Betrieben eine hohe Fluktuation unter den Aktiven an den Hochschulen.

Immer gut vernetzt

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Studentin Hannah GrondmannFoto: Stephan Pramme

Dass die studentischen Beschäftigten ihr Thema gerade jetzt erfolgreich setzen können, liegt vor allem an ihrer guten Vernetzung. "Wir haben inzwischen alle zwei Wochen ein bundesweites Treffen aller TVStud-Initiativen", berichtet Christian Rettig. Dort werden neben Materialien, Aktionsideen und Strategien für die Sozialen Medien vor allem Erfahrungen ausgetauscht. "Wir blicken natürlich besonders nach Berlin und lernen aus der dortigen Vorgehensweise", sagt der Student. In der Hauptstadt wurde 2018 der Tarifvertrag TVStud nach 17 Jahren das erste Mal wieder erneuert.

Der Weg zum Erfolg war lang. Schon im Jahr 2015 hatte sich die Berliner Tarifbewegung für einen neuen TVStud auf den Weg gemacht. "Berlin war ein Leuchtturm und hat viele andere TVStud-Initiativen inspiriert", sagt Isabella Rogner über den Domino-Effekt der ersten TVStud-Bewegung. Nun wollen alle Initiativen gemeinsam das Wintersemester 2021/22 zum Streiksemester machen und sich zusammen bessere Arbeits- und Studienbedingungen erkämpfen. In der laufenden Tarifrunde werden sie sich deshalb mit Soli-Streiks an den Warnstreiks ihrer Kolleg*innen aus dem öffentlichen Dienst der Länder beteiligen. So wollen sie auch die Sichtbarkeit ihres Anliegens erhöhen.

Beim Verhandlungsauftakt zur Tarifrunde der Länder am 8. Oktober 2021 in Berlin haben die studentischen Beschäftigten dann auch gleich gezeigt, dass mit ihnen zu rechnen ist. "Ich habe gespürt, dass wir nicht allein sind", sagt Hannah Grondmann, die Teil der TVStud-Delegation war. "Es ist einfach wichtig, unsere Gewerkschaft in dieser Sache hinter uns zu wissen." Dass es dennoch kein Selbstläufer wird, ist ihr auch klar. "Dass der Verhandlungsführer der TdL, Reinhold Hilbers, gesagt hat, er fände den TVStud falsch, ist leider nicht überraschend. Aber das zeigt uns noch einmal mehr, wie wichtig es ist aktiv zu werden und aktiv zu bleiben."

TVStud: Die wichtigsten FAQ's

Was sind studentische Beschäftigte?

Als studentische Beschäftigte werden Studierende bezeichnet, die an einer Hochschule eingeschrieben und dort gleichzeitig nebenberuflich beschäftigt sind. Häufig werden sie auch studentische Hilfskräfte genannt. Doch die studentischen Beschäftigten üben keine Hilfstätigkeiten, sondern unterstützende Tätigkeiten in Forschung und Lehre aus. Ihre Aufgaben haben also einen engen Bezug zur wissenschaftlichen Arbeit. Obwohl Beschäftigte an den Universitäten in Deutschland weitgehend nach dem Tarif­vertrag der Länder (TV-L) bezahlt werden, erhalten studentische Beschäftigte bisher nur im Land Berlin einen Tariflohn nach dem Tarifvertrag TVStud. Reine Verwaltungstätigkeiten, wie die technische Aufbereitung vorgegebener Informationen, Web-Administration oder Sekretariatstätigkeiten sind hingegen keine wissenschaftlichen Dienstleistungen. Alle, denen solche Verwaltungstätigkeiten übertragen werden, können schon jetzt die Vergütung nach dem TV-L einfordern.

Jüngstes BAG-Urteil dazu: 7AZR 245/20

Wie ist die Bewegung zum TVStud entstanden?

Die Bewegung besteht derzeit aus etwa 25 TVStud-Initiativen in ganz Deutschland. Tendenz: steigend! Vorausgegangen ist der bundesweiten Bewegung der Abschluss eines Tarifvertrags für studentische Beschäftigte in Berlin im Jahr 2018. Zwar gab es in der deutschen Hauptstadt auch davor schon einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, doch dieser wurde 17 Jahre lang nicht erneuert. Heißt im Klartext: Die letzte Lohnerhöhung für die studentischen Beschäftigten lag 17 Jahre zurück. Inspiriert vom erfolgreichen Tarifkampf der Berliner Hochschul-Beschäftigten gründeten sich auch in anderen Städten TVStud-Initiativen, die sich gegenseitig unterstützen.

Für wie viele Studierende würde ein TVStud gelten?

Für knapp 300.000 Beschäftigte. Die studentischen Beschäftigten bilden das Rückgrat des deutschen Wissenschaftsbetriebs, in ihren Arbeitsbedingungen spiegelt sich dies bisher allerdings noch nicht wider. Weil die Arbeitsbedingungen studentischer Beschäftigter in ganz Deutschland verbessert werden müssen, erwartet ver.di in der laufenden Tarif­runde im öffentlichen Dienst der Länder (TdL) eine Verhandlungszusage für die ­Tarifierung studentischer Beschäftigter an Hochschulen. Hessen gehört als ein­ziges Bundesland nicht der Tarifgemeinschaft der Länder an und hat bereits die Tarifrunde für die Länderbeschäftigten dort abgeschlossen. Beginnend ab dem Sommersemester 2022 werden studentische Beschäftigte an den hessischen Hochschulen einen Stundenlohn von 12 Euro erhalten, ab dem Wintersemester 2022/2023 wird der Stundenlohn dann entsprechend den Entgelterhöhungen im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in Hessen (TV-H) angepasst. Dennoch fordern auch in Hessen studentische Beschäftigte einen eigenen TVStud.

Wie kannst Du Dich engagieren?

Je mehr Aktive, desto erfolgreicher die Tarifbewegung. Das gilt auch beim Engagement für den TVStud. Wenn Du erfahren möchtest, wie Du Dich einbringen kannst oder ob es in Deiner Stadt schon eine Initiative gibt, komm einfach zur Vernetzung in die bundesweite Telegram-Gruppe kurzelinks.de/3ii5

Für Hintergrund-Infos schau auf der Website howtotvstud.de vorbei. Außerdem ­erreichst Du die Bundesarbeitsgruppe Studierende in ver.di auch per Mail unter studierende@verdi.de

PS: Natürlich kannst Du auch eine neue TVStud-Initiative an deiner Hochschule gründen!