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Warnstreik in der Hamburger Innenstadt am 27. Oktober 2021Foto: Bodo Marks/picture alliance/dpa [M]

Tröten, Rasseln, Trommeln – rund 200 Demonstrierende verkünden am 1. November in Potsdam lautstark ihre Forderung nach mehr Lohn. Noch am selben Abend beginnt die zweite Runde der Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder, doch von Verhandlungswillen auf Arbeitgeberseite kann nicht die Rede sein.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) blockiert weiterhin wie bereits beim Auftakt im Oktober sämtliche Forderungen, die ver.di zusammen mit den Beschäftigten stellt. Die TdL macht ihre Verhandlungsbereitschaft davon abhängig, die Axt an den sogenannten Arbeitsvorgang zu legen, um Eingruppierungen zu verändern und somit zu verschlechtern. Das aber ist mit ver.di nicht zu machen. Und weil ver.di hier nicht klein beigibt, lehnen die Arbeitgeber sämtliche Verhandlungsthemen ab. Weder wollen sie die Belastungen im Gesundheitswesen honorieren, einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte zulassen, noch über die ver.di-Vorschläge zum Justizbereich verhandeln. Allenfalls sind sie bereit, über die Übernahme der Auszubildenden zu reden. Ein ÖPNV-Ticket für Azubis? Auch das lehnen sie ab.

"Wir verplempern doch nicht tagelang unsere Zeit, um zu sämtlichen Forderungen der Beschäftigten ein stoisches Nein der Arbeitgeberseite zu hören. Und als trauriger Höhepunkt wird dann trotz mehrfacher Aufforderung durch ver.di kein Angebot vorgelegt. Solche Mätzchen haben die Beschäftigten nicht verdient"
Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender

Nun werde es eine spürbare Ausweitung der Streiks geben, kündigt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke tags drauf direkt nach dem Ende der ergebnislosen zweiten Verhandlungsrunde an. "Wir verplempern doch nicht tagelang unsere Zeit, um zu sämtlichen Forderungen der Beschäftigten ein stoisches Nein der Arbeitgeberseite zu hören. Und als trauriger Höhepunkt wird dann trotz mehrfacher Aufforderung durch ver.di kein Angebot vorgelegt. Solche Mätzchen haben die Beschäftigten nicht verdient", so Werneke. Wer Streiks provoziere, dürfe sich nicht wundern, wenn er sie bekomme.

Nicht einmal die Preissteigerung will die TdL ausgleichen. Die Arbeitgeber haben dazu eine verquere Vorstellung und ihre eigenen Daten zur Preisentwicklung. Die sei aus ihrer Sicht gar nicht so hoch, wie alle Wirtschaftsinstitute übereinstimmend sagen. Deshalb müsste das bei der Lohnerhöhung auch nicht berücksichtigt werden. Die Beschäftigten seien nicht die "Sparschweine der Republik", setzt der ver.di-Vorsitzende dem entgegen.

5 Prozent mehr Gehalt fordert ver.di, mindestens aber 150 Euro. Für die Beschäftigten im Gesundheitswesen sollen es mindestens 300 Euro sein. Und die Azubivergütungen sollen um 100 Euro steigen. Verhandelt wird für rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigte und 48.000 Auszubildende im öffentlichen Dienst der Länder (außer Hessen, siehe Bericht S. 4).

"Geht auf die Straße"

Wenn sich durchsetze, was die Arbeitgeber wollen, dann wollten künftig noch weniger Leute im öffentlichen Dienst der Länder arbeiten, warnt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Christine Behle und ruft den angereisten Beschäftigten in Potsdam zu: "Seid nicht nur heute hier. Geht auf die Straße. Zeigt den Arbeitgebern, wir wollen eine ordentliche Vergütung."

"Ein guter Lohn ist Anreiz, Personal zu finden", sagt Thomas Krause, der auch zum Verhandlungshotel gekommen ist. Er arbeitet für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten in der Verwaltung und weiß, wie schwer es schon jetzt ist, Personal zu finden. "Dass die TdL den Arbeitsvorgang zum Schlüsselthema macht, ist ein Generalangriff auf die Grundlagen der Eingruppierung. Das ist völlig kontraproduktiv. Wir haben einen Fachkräftemangel", betont er. Ähnlich argumentiert Thomas Schierwald, Personalratsvorsitzender beim Finanzministerium in Potsdam: "Es geht jetzt neben einem Einkommenszuwachs vor allem darum, den öffentlichen Dienst der Länder attraktiv zu halten. Beim Lohn hinken wir dem Bund hinterher. Immer öfter wechseln Kolleginnen und Kollegen. Auch junge Leute gehen lieber zum Bund oder in die freie Wirtschaft, weil sie dort besser verdienen." Martina Felber, die bei den Brandenburgischen Landesbetrieben für Liegenschaften und Bauen arbeitet, bringt die Stimmung auf den Punkt: "Jetzt müssen wir kämpfen". Zur Kundgebung vor dem Hotel hat sie deshalb gleich ihre Kolleginnen und Kollegen mitgebracht. "Meckern ist leicht, aber Mitmachen bedeutet Handeln."