Liebe Leserinnen, liebe Leser,

als es im vergangenen Jahr in einem Bericht in der ver.di publik (07_2021) um die Initiative gegen den Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen ging, entbrannte anschließend eine rege Diskussion auf unserer Leserbriefseite. Eine solche Debatte hat erwartungsgemäß auch unser letzter Titel zur (Schein)Demokratie entfacht. In Anbetracht der lediglich 55,5 Prozent Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen Anfang Mai, scheint es nicht gut um unser Demokratieverständnis bestellt zu sein. Im Wahlkreis des Duisburger Stadtteils Marxloh wählten bei besagter Landtagswahl von 4.950 Wahlberechtigten nur 943, gerade mal 20,28 Prozent. Gründe dafür gibt es mehr als nur einen. Wenn aber immer weniger Menschen nicht einmal mehr ihr wichtiges Grundrecht auf freie Wahlen in Anspruch nehmen, wie ist es dann um unser Verständnis von Demokratie bestellt?

Klar, die Politik trifft oft Entscheidungen, für die wir sie nicht unbedingt gewählt haben. Und ja, die Wirtschaft scheint viel zu häufig Einfluss auf politische Entscheidungen zu haben. Aber Einfluss nehmen auch wir, die Gewerkschaften, und auch ganz viele Nichtregierungsorganisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen. Ohne uns alle gebe es bis heute keinen Mindestlohn, der noch in diesem Jahr auf 12 Euro die Stunde steigen wird. Und kein Lieferkettengesetz, das ab 2023 für fairere Arbeitsbedingungen und die Wahrung der Menschenrechte entlang von Produktions- und Lieferketten sorgen wird, gebe es nicht die Initiative dazu, der neben ver.di über 130 andere Organisationen angehören.

Es gibt Bürgerräte, immer mehr Bürgerparlamente in immer mehr Städten und Bürgerhaushalte. Seit bald 20 Jahren gibt es in Berlin ein Kinder- und Jugendparlament. Jede und jeder kann sich hier und dort einbringen, teilhaben, etwas verändern, einen Unterschied machen. Demokratie ist kein leichtes Unterfangen, kein Selbstläufer. Und schon gar nicht selbstverständlich. Machen wir einen Unterschied. Die Diskussion ist eröffnet auf Seite 14.

Petra Welzel

Chefredakteurin der ver.di publik