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Fracking ist nicht nur teuer und aufwendig, sondern schadet auch der Umwelt erheblichFoto: Kristoffer Finn/laif

Der aktuelle Ruf nach Fracking in Deutschland ist das deutlichste Eingeständnis, dass die Öl- und Gasförderung ihrem Ende entgegengeht. Aber darüber reden die Energiekonzerne nicht gerne, sie möchten die Illusion nähren, Öl und Gas würden noch lange fließen. Ein starkes Indiz für das nahende Ende ist auch der Aufruf der Internationalen Energieagentur Mitte März 2022 zum Energiesparen. Solche Worte hat man von dort in den vergangenen Jahrzehnten nie gehört.

Doch fangen wir ganz von vorne an, dort, wo unser Öl und Gas ihren Ursprung haben. Alle sogenannten fossilen Energieträger sind aus Überresten von Pflanzen und Tieren entstanden. Für den größten Teil der Erdöl- und Erdgasvorkommen bildeten Algen die Grundlage.

Im Lauf der Jahre wurde diese Biomasse überdeckt und wanderte in die Tiefe, wo sie im Mittel um 3 bis 4 Grad je 100 Meter erhitzt wurde. Mit der steigenden Temperatur zersetzten sich die langkettigen Kohlenwasserstoffmoleküle, aus denen die Biomasse besteht. Dies führte wiederum zu Vorkommen von Öl, einem "Ölfenster" zwischen 50 bis 150 Grad Celsius und einer Tiefe von 1.500 bis 5.500 Metern. Und je heißer und je länger die Zeit, desto stärker werden Kohlenwasserstoffketten zum einfachsten Molekül Methan, also Gas, zersetzt.

Das meiste so entstandene Öl und Gas ist im Verlauf der Zeit in die Atmosphäre entwichen. Nur dort, wo die Deckschicht undurchlässig war, konnten sich unter Gesteinsfalten die Öl- und Gasvorkommen bilden, die bis heute abgeschöpft werden. Die Vorkommen stehen anfangs unter hohem Druck. Ihre Förderung erfolgt, indem eine Bohrung direkt in die öl-/gasführende Schicht eingebracht wird. Mit fortschreitender Förderung lassen der Druck und damit auch die Förderrate nach. Dem wird dann etwa durch Einpressen von Gas oder Wasser begegnet, was den Druck wieder etwas erhöht.

Daneben gibt es einige Regionen, wo das Gestein eine sehr geringe Durchlässigkeit hat, so dass sich das Öl/Gas nicht in größeren Feldern sammeln konnte, sondern feinverteilt in den Gesteinsporen eingeschlossen ist. In diesen Lagerstätten kann man das Öl und Gas nur mit intensivem Fracking erschließen.

Wo das Fracking ins Spiel kommt

Die einfachen und ergiebigen Dinge hat die Industrie zuerst gemacht. Das war die Erschließung der herkömmlichen Öl- und Gasfelder. Doch je mehr diese entleert wurden, umso stärker ließ der Druck nach und führte zu einem stetigen Rückgang der jährlichen Fördermengen in vielen Feldern. Um dies auszugleichen oder um die Förderung gar noch auszuweiten, mussten zunehmend die Lagerstätten in dichtem Gestein erschlossen werden. Und da kommt das Fracking ins Spiel: Das Aufbrechen des dichten Gesteins (englisch "fracking") erfolgt durch das Einpressen von Wasser, Sand und chemischen Begleitstoffen unter hohem Druck über horizontale Bohrungen in das Gestein. Im Englischen spricht man vom "hydraulic fracturing", in der Kurzform vom "fracking".

Nach dem Einpressen strömt ein Gemisch aus Wasser und Öl/Gas durch die erzeugten Risse nach oben. Damit diese Risse sich nicht verschließen, muss Sand beigemischt werden. Zusätzlich müssen verschiedenste Chemikalien zugegeben werden. Diese werden zusammen mit den im Gestein vorhandenen Schadstoffen und dem Öl/Gas wieder ausgespült. An der Oberfläche müssen sie abgetrennt und in Sammelbecken gelagert und später entsorgt werden. Das alles bedingt einen hohen Verbrauch an Metallrohren, Sand, Wasser, Chemikalien. Einher geht damit ein enormer Schwerlastverkehr im ländlichen Raum, der pro Fracking-Bohrung durchaus bis zu 1.000 Lkw-Fahrten und mehr erreichen kann. Oft genug geht auch etwas schief, so dass das kontaminierte Wasser-/Gasgemisch ins Grundwasser oder an die Erdoberfläche und in die Atmosphäre entweichen kann.

Zudem: Die Förderraten der einzelnen Bohrungen sind sehr gering verglichen mit Bohrungen im herkömmlichen Verfahren. So wurde beispielsweise die gesamte Erdgasförderung der USA von 1.048 Milliarden Kubikmeter im Jahr 2021 – die inzwischen fast nur noch mittels Fracking erfolgt – aus 528.000 Erdgasbohrungen gewonnen. Das entspricht im Mittel einer Förderleistung von jährlich 2 Millionen Kubikmeter je Bohrung.

Mit Abstand am aufwendigsten

Allein bezogen auf die Fördermenge ist Fracking somit die mit Abstand aufwendigste Fördermethode hinsichtlich des technischen Aufwands und des Ressourcenverbrauchs. Und sie führt darüber hinaus zu erheblichen Schädigungen der Umwelt.

Was man noch wissen muss: Der Druckabfall bei einer gefrackten Bohrung ist enorm. Zwei wesentliche Parameter bestimmen das Förderprofil. Das eine ist die anfängliche Förderrate, die in den USA in vielen Regionen bereits jedes Jahr geringer wird. Im Jahr 2020 lag sie meist zwischen 1 bis 20 Millionen Kubikmeter im ersten Fördermonat.

Der zweite Parameter ist der durch den schnellen Druckabfall bedingte Förderrückgang. Während dieser in herkömmlichen Öl- und Gas-Feldern bei ein paar Prozent jährlich liegt, beträgt er in den meisten gefrackten Bohrungen in den USA um die 10 Prozent pro Monat. Das bedeutet, dass man für eine konstante und erst recht steigende Förderung ständig neu bohren muss.

Erdgasförderung in Deutschland

In Deutschland wurde im Jahr 1998 mit 24 Milliarden Kubikmeter pro Jahr der Höhepunkt der Erdgasförderung erreicht. Das deckte seinerzeit knapp 21 Prozent des Erdgasbedarfs in Deutschland. Bis zum Jahr 2011 hatte sich die Fördermenge bereits halbiert, im Jahr 2021 ist sie auf 5,2 Milliarden Kubikmeter zurückgegangen, was nur noch 5,15 Prozent des Bedarfs deckte. Das ist gegenüber 1998 ein Rückgang von fast 80 Prozent. Die Förderung erfolgte aus 387 Bohrungen. Damit lag die mittlere Förderrate bei 13 Millionen Kubikmeter je Bohrung, also 6 bis 7-mal höher als in den USA.

Nehmen wir jetzt mal an, dass in Deutschland nur 1 Prozent des jährlichen Erdgasverbrauchs von 2021 mittels Fracking gefördert werden sollen. Dann müssten dazu monatlich 15 bis 20 neue Bohrungen vorgenommen werden. Dies entspräche 180 bis 240 neuen Bohrungen pro Jahr. Aber: Erst nach circa drei Jahren würde die Fördermenge 1 Prozent des Gasbedarfs erreichen, danach bliebe sie konstant. Das heißt: Nur mit noch mehr Bohrungen könnte man die Förderung weiter ausweiten. Umgekehrt ginge mit weniger jährlichen Bohrungen die Fördermenge sofort zurück. Und nur zum Vergleich: Von den 387 aktiven Förderbohrungen in Deutschland auf herkömmlichen Feldern wurden 2021 lediglich zwei neue Bohrungen in Betrieb genommen.

Allein aus diesem Beispiel wird sofort deutlich, wie unsinnig ein industrieller Einsatz von Erdgas-Fracking im dicht besiedelten Deutschland wäre. Ganz abgesehen von den zu erwartenden Verkehrsbelastungen und Umweltauswirkungen würde der enorme Bedarf an Fläche, Rohren, Wasser und Sand schnell in Konkurrenz zu anderen Nutzungen (zum Beispiel aus der Baubranche) stehen. Kurzum: Fracking widerspricht der notwendigen Abkehr von fossilen Energien.

Dr. Werner Zittel ist ehrenamtlicher Vorstand der Ludwig-Bölkow-Stiftung, die sich für die Förderung von Forschung und Entwicklung in den Bereichen Energie, Landwirtschaft und Verkehr einsetzt.

ver.di fordert Fracking-Verbot

Der ver.di-Bundesfachbereichsvorstand Ver- und Entsorgung spricht sich in einem Positionspapier gegen das Fracking zur Erdgasgewinnung aus. Über die Auswirkungen des "Fracking" auf die gesamte Umwelt lägen bisher keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, heißt es in dem Papier. Kritisiert wird auch, dass sich die bisher zugelassenen "Aufsuchungsfelder" zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen quer über Wasserschutz- und Naturschutzgebiete und Siedlungsräume erstrecken. Die Erschließung alternativer Energiequellen dürfe aber nicht dazu führen, dass erhebliche Risiken für die Gewässer, die Trinkwasserversorgung sowie die gesamte Umwelt und die Bevölkerung entstehen.

Daher werden die Bundesregierung und die zuständigen Behörden aufgefordert, "die Sicherheit des Lebensmittels Nr. 1 (Trinkwasser) nicht zu gefährden". Darüber hinaus wird ein Verbot der Erkundung und Förderung von unkonventionellem Erdgas in Einzugsgebieten von Wasserschutzzonen und von Wassergewinnungsanlagen gefordert. Der Trinkwasserversorgung sei stets der Vorrang vor der Rohstoffgewinnung zu gewähren.

Und: Das Beispiel Frankreich zeige, dass sogar ein generelles Fracking-Verbot möglich ist. Man muss es nur wollen.