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FOTO: T. DASHUBER / VISUM CREATIV

Autoritarismus hat zwei Gesichter. Das eine (nach traditionellem Symbolbild "väterliche") sagt: "Du musst deine Großmutter besuchen, sonst gibt's Prügel!" Das andere ("mütterliche"): "Tue was du willst, aber Oma wird sehr traurig sein, wenn du sie nicht besuchst, und denke außerdem daran, was deine Cousins von dir halten werden." Unsere liberale Gesellschaft hat längst integriert, dass die zweite Variante besser funktioniert. Zumal es dafür einen Markt gibt. Neuerdings hat eine Berliner Beratungsagentur Schlagzeile gemacht. Auf Diversität, Antirassismus und "kulturelle Relevanz" prüft sie nicht nur Startups, Medienbetriebe und Universitäten, sondern gar Bert Brechts altes Berliner Ensemble. Bei Theaterproben sitzen die Experten, um (nach Eigendarstellung in der Berliner Zeitung) veraltete, unterschwellige Stereotypen und Klischees aufzuspüren, die "vielleicht nicht so gemeint waren", doch "als diskriminierend empfunden werden könnten". Anders als damals die SED-Kulturwächter, die nach sozialistischer Konformität prüften, gehe es hier nicht um Zensur, sondern darum, "Bewusstsein zu schaffen". Der Kunde soll dann selbst entscheiden, ob er auf seinem problematischen Erscheinungsbild beharrt. Nur werden ihm die wirtschaftlichen Risiken deutlich gemacht. Das Outsourcing der Moral ist doch da, um Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Wer sich inklusiven Diskursen und Diversity-Normen nicht demonstrativ anpasst, dem werden "irreparable Reputationsschäden" angedroht, vulgo: Shitstorms. Obwohl die Berater sich dagegen wehren, als "Politischer-Korrektheits-Tüv" zu erscheinen, werden ihre Dienste offensichtlich aus Angst nachgefragt, eines Tages mit Hassmails und Boykottrufen überschüttet zu werden. Besser sich extern versichern, als sich auf das eigene Urteil zu verlassen. Natürlich ist es wichtig, dass rassistische und sexistische Klischees abgebaut werden, so wie es auch richtig war, der Oma einen Besuch abzustatten. Die Frage ist nur, ob zu diesem Zweck schleichender Druck und moralische Erpressung wirklich besser sind als alte Verbote. Oder ob sie nicht vielmehr Anpassung an die vermeintliche Norm und Heuchelei fördern.