IMG_8587.jpg
Im sanften Schwebeflug geht's Richtung grüne Golanhöhen über grüne Gurken- und Zucchini-FelderFoto: Jenny Mansch

Die Fahrt auf der Route 66 von Haifa ins südöstlich gelegene Beit HaShita dauert gerade mal eine knappe Stunde. Mit dem Fahrrad schafft man es bei kühlen Märztemperaturen sogar in dreieinhalb entspannten Stunden. Dann wartet auf einem Feld vor uns der Heißluftballon; seine Seide bläht sich abenteuerlustig und leuchtet in der aufgehenden Sonne. Schluck. Das Ding ist wirklich riesig, und unten dran hängt ja nun mal nur ein Korb. Die Gruppe von Touristen aus aller Welt kraxelt in die vier Abteile des Korbes. Einige sind nervös und krallen sich unauffällig an die Seile.

Doch unser Pilot plappert munter drauflos und erklärt, dass er uns jetzt bis auf Wolkenhöhe bringt und gibt Propangas. Niemand bemerkt, dass der Korb mit seinen 15 Gästen sich bereits unmerklich vom Boden gelöst hat und aufsteigt. So geschmeidig geht dieser Aufstieg vonstatten, die Nervosität weicht einem Ah und Oh ob der schönen Aussicht.

Instagrammable

Das satte Dunkelgrün der Gurken-und Zucchini-Felder, über die wir hinwegschweben, mischt sich mit dem Braunrot des Mutterbodens. So grün haben sie sich Israel nicht vorgestellt, staunt ein Paar aus Skandinavien. Und kaum haben wir ein wenig Höhe erreicht, kommt Bewegung in unseren Korb. Ein junger Israeli zupft seinen Anzug zurecht, strahlt seine Freundin an und – zückt einen Ring. OMG! Ein Heiratsantrag! Ein Tatzeuge filmt mit – wenn das nicht instagrammable ist! Erfreulicherweise sagt die Braut ja, sie küssen sich, alles klatscht, die Sache ist im Kasten.

Inzwischen hat die Tragluft des Ballons die benötigte Temperatur erreicht. Das Zischen des Treibgases hört auf, am wolkenlosen Himmel wird es ganz still. Unser Pilot deutet in alle vier Himmelsrichtungen. "Hier oben sieht man sehr schön, wie klein unser Land eigentlich ist. Gleich dort drüben im Norden könnt ihr schon den Libanon erkennen, dann gleich hinter den Golanhöhen liegt Syrien, weiter südöstlich Jordanien und ganz geradeaus im Süden liegt das Tote Meer."

Wo niemand vereinsamt

Fast mit dem bloßen Auge zu erkennen ist einer der ältesten Kibbuzim Israels, den man wie wir auch besuchen kann: Maʿagan Micha'el liegt am südlichen Ende der Karmelküste im Bezirk Haifa und entstand 1949. Jüdische Pioniere mussten zunächst das Sumpfgebiet trockenlegen und die Krokodile in Schach halten. Teile des Naturschutzgebiets dienen heute der Fischzucht; auch Futtermittel, Baumwolle und Hühner werden hier gehandelt.

Ma'agan Micha'el ist wirtschaftlich erfolgreich. Längst können sich die insgesamt 250 ländlichen Kommunen Israels nicht mehr allein durch Landwirtschaft erhalten. Sie müssen sich etwas einfallen lassen. Viele nutzen den Tourismus, haben heiße Quellen oder Ferienunterkünfte. Ma'gan Micha'el aber macht in Muffen aus Kunststoff. Auf dem Gelände ragt ein 60er-Jahre-Klotz empor. In dem Hauptsitz der Plasson GmbH werden Verbindungsteile für Rohre hergestellt und dann nach Wesel geliefert. Hier vor Ort in der Exportabteilung arbeitet auch Gela aus Düsseldorf. Sie führt uns über das große Gelände, auf dem insgesamt 700 Genoss*innen arbeiten.

Gela kam 1996 in den Kibbuz und engagierte sich im Häuserkomitee. Dann musste sie sich entscheiden. Bleiben und Mitglied werden, oder die Gemeinschaft verlassen. Gela durchlief den Aufnahmeprozess, an dem alle mitbestimmen, heiratete und blieb. Auch sie ist überzeugt von der Vision des praktizierten Sozialismus der Kibbuzim und schwärmt: "Für die Kinder wird gut gesorgt, Gesundheitsvorsorge wird allen bezahlt. Hier vereinsamt niemand, die Alten haben eine Betreuungsperson und Elektrofahrzeuge, mit denen sie sich auf dem Gelände bewegen können."

Aber es wird auch viel gearbeitet – in der Fabrik, der Wäscherei, im Gesundheitszentrum, auf den Feldern, im Kino. Für Männer beträgt die Wochenarbeitszeit 45 Stunden, für Frauen 37. Und nicht alle Kinder kommen problemlos damit zurecht, ihre Eltern wochentags nur vier Stunden täglich zu sehen. Gelas Kinder allerdings wollen nach Ausbildung und Militär im Kibbuz bleiben. Da piept Gelas Uhr. Eine App zeigt an, was es für sie heute in der Kantine zu essen gibt.

Mang den Zucchinis

Auch unser Fesselballon steigt mittlerweile wieder nach unten. Nicht ganz punktgenau landen wir mang den Zucchinis, und ein empörter Kibbuz-Bauer rennt schimpfend herbei. Die Seide zerdrücke ja seine Pflanzen, wie soll er die jetzt noch verkaufen? Er wird von der Ballon-Crew mit einem Glas Sekt besänftigt, den es für alle Fluggäste zum Abschied gibt, und kann sich dabei selbst von der Leichtigkeit des Seideseins überzeugen.

Reiseinfos

Anreise: Tägliche Direktflüge von Berlin, München und Frankfurt/M.

Sky Trek Hot Air Balloon Tours:

en.skytrek.co.il

Maʿagan Micha’el:

maaganm.co.il