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Zusammenhalt haben auch die Beschäftigten an den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen immer wieder gezeigtFoto: Ying Tang/IMAGO/NurPhoto

Für Mitte September hat Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, erneut Wirtschaft, Gewerkschaften und Experten unter dem Motto "Konzertierte Aktion" eingeladen, um zu gemeinsamen Lösungen in der anhaltenden Krise von steigenden Preisen und drohender Energieknappheit zu kommen. Allerdings wird Scholz kaum erwarten können, dass sich die Gewerkschaften in den anstehenden Tarifrunden für rund 10 Millionen Beschäftigte zurückhalten werden. "Die Belastungen durch die hohe Inflation sind unbestreitbar – darauf braucht es jetzt Antworten", hatte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke bereits nach der ersten Runde Anfang Juli im Kanzleramt gesagt. Darin sind sich alle einig. Umstritten aber bleibt nach wie vor das Wie.

"Wir als ver.di kämpfen mit unseren Mitgliedern für Tarifverträge, die eine Antwort auf die stark gestiegenen Preise geben"
Frank Werneke, ver.di-Vorsitzender

Klar ist, die Gewerkschaften werden sich nicht von der Politik in die Tarifautonomie hineinreden lassen. "Wir als ver.di kämpfen mit unseren Mitgliedern für Tarifverträge, die eine Antwort auf die stark gestiegenen Preise geben", betont Frank Werneke. Aber auch die Bundesregierung müsse liefern: "Es braucht ein weiteres Entlastungspaket im Herbst. Und diesmal dürfen Rentner*innen und Studierende nicht wieder vergessen werden", fordert der ver.di-Vorsitzende.

Seit sechs Monaten wirkt sich der brutale Krieg Russlands gegen die Ukraine, der vor allem unbeschreibliches Leid für Millionen Ukrainer*innen bedeutet, auf die ganze Welt aus. In der südlichen Erdhalbkugel bestehen große Sorgen vor Hungerkatastrophen, weil die Ukraine Millionen Tonnen Getreide bisher nicht ausliefern konnte. Ein weiterer militärischer Konflikt droht rund um Taiwan im Pazifik, weil China meint, die seit Jahrzehnten demokratisch regierte Insel ins Reich zurückholen zu müssen.

Bereits die Sanktionen, die Europa und die USA gegen Russland verhängt haben, wirken sich auf Deutschland spürbar durch steigende Preise und eine nicht unwahrscheinliche Energiekrise im Winter aus. Mögliche Sanktionen gegen die Chinesische Volksrepublik könnten weitere, nicht unerhebliche Folgen für unsere Volkswirtschaften nach sich ziehen. Allein die chinesische Null-Covid-Strategie hat über Monate Lieferketten immer wieder unterbrochen. Sollten die Handelsbeziehungen mit China eingefroren werden, hätte das massive Auswirkungen auf unsere Wirtschaft.

Füreinander, jetzt

Und als wenn das nicht schon Probleme genug wären, meldet sich in diesen Wochen die Klimakrise mit ganzer Wucht zurück. Hitzewellen mit Höchsttemperaturen um 40 Grad, Waldbrände ungeahnten Ausmaßes und die Prognose, dass das unsere Zukunft sein wird, wenn wir jetzt nicht sofort handeln – wann, wenn nicht jetzt, sollten wir Gräben überwinden, füreinander da sein und füreinander einstehen? Jetzt, wo viele Menschen Sorgen und Ängste haben, weil so vieles ungewiss ist. Ob das Einkommen noch fürs Auskommen reicht. Ob der russische Präsident Wladimir Putin den brutalen Krieg gegen die Ukraine eskaliert und ausweitet. Ob wir die Klimaerwärmung und das rasante Artensterben noch stoppen können.

Die Aufgaben, vor denen die Menschheit steht, sind gewaltig. Deshalb muss sie jetzt an einem Strang ziehen, müssen wir zusammenstehen und uns solidarisch zeigen, vor allem mit denjenigen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Die Starken unter uns können und müssen jetzt mehr Lasten tragen als die Schwächeren. ver.di, der Deutsche Gewerkschaftsbund, verschiedene Sozialverbände und andere Institutionen rufen deshalb alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich in diesen schwierigen Zeiten solidarisch zu zeigen und zusammenzuhalten. Nur Miteinander können wir die Krisen bewältigen, den sozialen Frieden und die Demokratie bewahren.

Und es gibt sie ja, die Starken. Gerade erst hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY Zahlen präsentiert, nach denen die Gewinne der DAX-Konzerne allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 85 Prozent über dem Vor-Corona-Niveau von 2019 lagen. Und: Zwei Drittel aller Unternehmen haben schon mehr verdient als 2021, dem Jahr, das bereits viele mit Rekordgewinnen abgeschlossen haben.

Bei diesen Zahlen von den Gewerkschaften Zurückhaltung in Tarifrunden zu verlangen, wäre vermessen. Und Lohnzurückhaltung kann sich gerade auch die Wirtschaft beim bestehenden Fachkräftemangel in vielen Branchen nicht mehr leisten. Die Beschäftigten stimmen zunehmend mit den Füßen ab: Entweder streiken sie wie zuletzt an den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen oder bei der Lufthansa, bis ein anständiges Ergebnis erzielt ist. Oder sie gehen einfach weg und dorthin, wo fair bezahlt wird und auch alle anderen Arbeitsbedingungen stimmen.

Brennpunkt Seite 3

Leitkommentar Seite 15

Zum Aufruf "Für Solidarität und Zusammenhalt jetzt!": kurzelinks.de/ki2a