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Foto: jungeblodt.com

Magdalena Schrefel: Brauchbare Menschen

Sehr viele Menschen verbringen einen großen Teil ihrer wachen Zeit mit Erwerbsarbeit. In erstaunlich vielen Texten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur spielt das aber keine Rolle.

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Allein deshalb ist es schon bemerkenswert, dass sich in Magdalena Schrefels Brauchbare Menschen alles um die körperliche Arbeit dreht. In zwölf Erzählungen entfaltet sie ein Panorama prekärer Schufterei – von der Landwirtschaft über die Industrie und die Dienstleistungsbranche bis hin zur digitalen Ökonomie, oft aus weiblicher Perspektive. Da solidarisieren sich Sexarbeiterinnen untereinander, eine Schriftstellerin reflektiert die Bedingungen ihrer Tätigkeit, in einem Schlachthof findet das Töten der Tiere immer häufiger automatisiert statt. Oder es zeigt sich aus der Sicht eines Vaters, wie die Arbeit als Bäcker sich in dessen Körper eingeschrieben hat. Die Maloche formt die Leiber – es ist das Leitmotiv dieses literarischen Konzeptalbums über die kapitalistische Produktionsweise. Schrefels Sätze sind präzise gebaut, ihre Szenen sind genau beobachtet. Hier demonstriert eine starke literarische Stimme, wie wichtig die künstlerische Auseinandersetzung mit der Arbeitswelt ist – und bleibt. Christian Baron

Erzählungen, Suhrkamp, 183 S., 16 €

Celeste Ng: Unsre verschwundenen Herzen

Die USA in naher Zukunft. Nach einem langen Bürgerkrieg herrschen wieder Recht und Ordnung, doch hinter der Ruhe steckt der Zwang zu einer patriotischen Gesinnung.

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Ein neues Gesetz fordert von allen Bürgern bedingungslose Loyalität. Kinder aus unpatriotischen Familien werden zur Adoption freigegeben, außerdem gibt es ein neues Feindbild: China. Die Folge: Alle asiatisch aussehenden Menschen werden diskriminiert. Das betrifft auch den zwölfjährigen Bird, der bei seinem Vater lebt. Seine Mutter, eine chinesischstämmige Dichterin, lebt im Untergrund. Ihr Gedicht "All our missing hearts" wird zum Motto des Widerstands, und als ihr Sohn einen geheimen Brief von ihr erhält, macht Bird sich auf die Suche nach ihr. Seine Reise führt ihn zu den Geschichten seiner Kindheit und in Büchereien, in denen Menschen arbeiten, die sich gegen das Unrecht zur Wehr setzen. Celeste Ng erzählt mitreißend, in klarer Sprache und hohem Tempo, von einer Mutter, die versucht die Welt zu verbessern. Von einem Sohn, der am eigenen Leib spürt, wie brutal sich Rassismus auswirkt. Und von einer Gesellschaft, die Bücher verbrennt, das Internet zensiert und den Nationalismus zum wichtigsten Gut erhebt. Eine Welt, nicht allzu weit entfernt von heute.

Günter Keil

dtv, Ü: Brigitte Jakobeit, 401 S., 25 €