Ausgabe 08/2022
Mein Gott, wie scheinheilig
Hört sich erst einmal gut an: "Explizit wie nie zuvor wird Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen als Bereicherung anerkannt." Vollmundig verkündete am 22. November die Deutsche Bischofkonferenz, alle Mitarbeitenden könnten von nun an im Schoße der katholischen Kirche "unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein". Doch was so weltoffen daherkommt, ist an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten.
Beschäftigte der katholischen Kirche oder ihres Wohlfahrtsverbandes Caritas können immer noch gekündigt werden, wenn sie aus der Kirche austreten. Ein Kündigungsgrund besteht auch dann, wenn sich etwa eine Mitarbeiterin in ihrer Freizeit für die Abschaffung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzt. Doch was ändert es an der Qualifikation etwa eines Erziehers einer katholischen Kita, wenn er nicht mehr Mitglied der Kirche ist, oder einer Pflegekraft in einem Krankenhaus der Caritas, die es jeder Frau selbst überlassen möchte, ob sie ein Kind austragen möchte oder nicht? Genau, es ändert überhaupt nichts an ihrer Arbeit.
Mit ihrer klitzekleinen Anerkennung der Individualität von Menschen hat die katholische Kirche sich genauso wie in den gesamten Missbrauchsskandalen der letzten Jahre nicht mehr als ein Deckmäntelchen übergezogen. Weiterhin schützt sie Bischöfe und Werte, die teils Recht und Gesetz der Bundesrepublik Deutschland nicht standhalten. So verhält es sich auch mit dem Grundrecht der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen auf Streik, das ihnen noch immer verweigert wird. Und finanziert wird das alles seit Jahrzehnten aus Steuergeldern. Kein Wunder, wenn immer mehr Menschen vom Glauben abfallen.