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Für viele junge Menschen ist die Gegenwart schwierig genug, die Zukunft ungewissFoto: Marjan Apostolovic / Photocase

Trotz 40 Jahren Vollzeitarbeit arm im Alter? Dieses Schicksal droht rund 2,7 Millionen Frauen in Deutschland. Das geht aus Zahlen des Bundesarbeitsministeriums hervor. Es sind Frauen, die jahrzehntelang Rentenbeiträge eingezahlt, dafür aber nach Renteneintritt nicht einmal 1.000 Euro im Monat zur Verfügung haben werden. Bei derzeit insgesamt rund 7,1 Millionen Frauen, die in Vollzeit arbeiten, wären knapp 40 Prozent von ihnen betroffen.

Das Ministerium rechnet in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag vor, dass man – nach derzeitigem Stand – Monat für Monat 40 Jahre durchgehend 2.844 Euro brutto verdienen muss, um im Alter auf 1.000 Euro Rente zu kommen. 1.200 Euro werden es, wenn der monatliche Bruttolohn in der gesamten Zeit bei 3.413 Euro liegt. Aus diesen Zahlen lässt sich auch schließen, dass Altersarmut in Zukunft nicht nur ein in erster Linie weibliches Problem bleiben wird. ver.di-Rentenexpertin Judith Kerschbaumer geht davon aus, dass in den kommenden Jahren vermehrt Männer in Ostdeutschland in diese Armutsfalle geraten. Die Zunahme prekärer Arbeit und unterbrochener Erwerbsverläufe ist dort besonders stark.

Derzeit ist das Rentenniveau auf 48 Prozent festgeschrieben. Sollte es steigen, profitierten diejenigen am meisten, die ohnehin schon eine hohe Rente bekommen. "Für Geringverdienende brauchen wir mehr Mindestsicherungselemente", sagt Kerschbaumer. Dazu zählt sie etwa einen verbesserten Grundrentenzuschlag und gerade für Frauen eine flächendeckende betriebliche Altersversorgung. Da aktuell die Rentenausgaben zudem steigen, weil die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, schlägt Kerschbaumer vor, diese Ausgaben aus Steuermitteln (mit) zu finanzieren. Den Vorschlag, das Renteneintrittsalter weiter zu erhöhen, lehnt die Rentenexpertin hingegen ab.

2007 hat die damalige schwarz-rote Bundesregierung die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre beschlossen, unter anderem mit Hinweis auf die steigende Lebenserwartung. Doch Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zeigen, dass die Lebenserwartung in absehbarer Zeit zurückgeht. Also ist dieses Argument nicht mehr haltbar, vor allen Dingen nicht für eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters.

Flexible Übergänge schaffen

Besonders früh in Rente gehen vielmehr Menschen im Niedriglohnbereich, die oft in schwer belastenden Jobs arbeiten. Hier müssten alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze geschaffen werden, damit diese Menschen zumindest so lange arbeiten können, dass sie ohne Abschläge in Rente gehen. Die Flexibilität beim Übergang in die Altersrente, die die FDP mit dem Verweis auf das Beispiel Schweden fordert, sei in Deutschland längst erreicht, sagt die Gewerkschafterin. Die Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogener Altersrente wurde mit Beginn des Jahres abgeschafft, längst ist es möglich, mit Abschlä- gen vorzeitig in Rente zu gehen oder über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten und Zuschläge für die Rentenzahlungen zu erwirtschaften.

Bundesfinanzminister Christian Lindner, FDP, hat jüngst einen weiteren Plan vorgestellt: das Generationenkapital. Zehn Milliarden Euro pro Jahr will er für einen neu zu schaffenden Fonds bereitstellen. Dabei zieht er auch in Betracht, Versichertenbeiträge dafür zu verwenden. Das Geld soll am Kapitalmarkt angelegt werden und vom Ende der 2030er Jahre an das Rentensystem stabilisieren. Das lehnt ver.di entschieden ab. Lindner sieht darin eine Ergänzung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente.

Langfristig soll der Fonds mit einer dreistelligen Milliardensumme ausgestattet werden. Die wäre auch nötig. Um mit den Gewinnen aus dieser Anlage den Anstieg des Rentenbeitrags um einen Prozentpunkt zu verhindern, müsste dazu ein Gewinn von gut 17 Milliarden Euro pro Jahr gemacht werden. Bei einer sehr optimistischen Rendite von acht Prozent jährlich wäre dazu ein Kapital von 212,5 Milliarden Euro nötig. Wohlgemerkt zur Finanzierung eines einzigen Prozentpunkts. Nach derzeitigen Schätzungen liegt der Rentenbeitrag – paritätisch finanziert von Beitragszahlenden und Arbeitgebern – Ende der 2030er Jahre bei 21,3 Prozent, also 2,7 Prozentpunkte höher als heute. Das bedeutet, es müsste eine große Menge Kapital eingesetzt werden.

Viel sinnvoller ist es, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken. Derzeit haben nur 56 Prozent der Beschäftigten Anspruch auf eine Betriebsrente – vornehmlich die, die in großen Betrieben arbeiten. Insbesondere für Frauen, die häufig in kleineren Betrieben arbeiten, und für Beschäftigte im Niedriglohn würde eine Betriebsrente einen echten Beitrag gegen Altersarmut leisten – finanziert mit einem wesentlichen Beitrag der Arbeitgeber, die aufgrund des Fachkräftemangels häufig bereit sind, die Beiträge zur Betriebsrente zu finanzieren. Gemeinsam mit Mindestsicherungselementen wäre dann nach einem langen Arbeitsleben ein ausreichend finanzierter Ruhestand möglich.

Rentenproteste in Frankreich

Am 31. Januar sind in Frankreich landesweit fast drei Million Menschen gegen die geplante Rentenreform auf die Straße gegangen. Massive Streiks legten Teile des öffentlichen Lebens lahm, viele Zug- und Flugverbindungen fielen aus, Schulen und Ämter blieben geschlossen. ver.di steht an der Seite der französischen Gewerkschaften in ihrem Kampf gegen die von Frankreichs Präsident geplante Erhöhung des Renteneintrittsalters. "Die Pläne der Regierung von Emmanuel Macron sind bedrohlich für die Menschen in Frankreich und dürfen nicht zu einem weiteren schlechten Beispiel zur Lösung angeblicher Probleme mit den Altersrenten in anderen Ländern, vor allem aber auch in Deutschland werden", so der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Mehr erfahren