Ausgabe 02/2023
Der Lobbyist
2008 habe ich das Abitur gemacht und im Anschluss Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Naher Osten studiert. Ursprünglich wäre ich gerne in die Politik gegangen, aber jetzt arbeite ich als Ressortentsandter für das Verkehrsministerium Baden-Württemberg an der Landesvertretung in Brüssel. Mein Arbeitsalltag besteht zu einem Großteil aus dem Pflegen von Kontakten sowie dem Sichten und der Weitergabe von Wissen.
Die Gelegenheit Lobbyist zu werden, ergab sich, nachdem ich ein paar Jahre im Verkehrsministerium in Baden-Württemberg gearbeitet hatte. Als Referent für den Bereich Öffentlicher Personennahverkehr habe ich unter anderem an der Gesetzesreform für den ÖPNV mitgearbeitet. Während dieser Zeit habe ich mein Interesse an Europa bekundet und kam so auf die Stelle in Brüssel als Ressortentsandter. In dieser Funktion nehme ich eine Scharnierfunktion zwischen meinem Arbeitgeber, dem Land Baden-Württemberg, und den europäischen Institutionen ein. Zuständig bin ich für alle Verkehrsbereiche, Schiene, Straße und Luftverkehr, aber auch Lärmschutz und saubere Luft. Bei meiner Arbeit muss ich auch im Blick behalten, welche europäischen Gesetzgebungsverfahren laufen und welcher Input dafür benötigt und entwickelt werden muss. Davon setze ich dann mein Haus in Kenntnis und bringe die von den Fachleuten des Ministeriums vorbereiteten Papiere in die Gremien in Brüssel ein.
Immer wieder Netzwerken
Mein typischer Arbeitstag beginnt mit dem Lesen von Fachinformationen und dem Zusammenfassen dieser für andere. Zum Mittagessen treffe ich häufig einzelne Mitglieder der Europäischen Kommission oder Parlamentsmitarbeiter sowie andere Lobbyisten, mit denen ich im Austausch bin. Zudem plane ich Veranstaltungen, die das Verkehrsministerium in Brüssel ausrichtet und suche Referenten dafür aus. Außerdem organisiere ich Crashkurse für die Abläufe der EU-Politik für Kollegen und plane Hintergrundgespräche in Brüssel für meinen Minister. Quer durch meine gesamte Arbeit zieht sich immer wieder das Networking. Dazu gehören auch die üblichen Sektempfänge mit anderen Lobbyisten und Diplomaten aus Vertretungen anderer Mitgliedsstaaten. Zudem sitze ich in vielen Ratsarbeitsgruppen und berichte daraus dem Deutschen Bundesrat. Meine Arbeit gefällt mir sehr, auch wenn häufig Überstunden anfallen. Es macht mir Spaß, mich in verschiedene Themen einzuarbeiten und die manchmal komplizierten Inhalte für andere aufzubereiten.
Mein Wohnsitz ist Brüssel. Seit Corona geht vieles digital. Insgesamt arbeiten in Brüssel noch gut 20 weitere Kolleginnen und Kollegen der Landesvertretung. Meine Arbeit ist gut bezahlt, trotzdem ist es mir wichtig Gewerkschaftsmitglied zu sein. Es geht um das Stärken der Solidargemeinschaft. Wenn niemand in der Gewerkschaft wäre, könnte sich auch keiner für bessere Löhne und Arbeitszeitverkürzung einsetzen.