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FOTO : FLORIAN BOILLOT [ M ]

ver.di musste in den letzten Wochen mehrfach streiken, an Flughäfen, in Krankenhäusern, bei der Müllabfuhr, in Kitas und auch bei der Post. Es ging um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Alles ist teurer geworden: Lebensmittel, Energie, Wohnen. Viele Menschen wissen nicht mehr, wie sie das bezahlen sollen. Für die Existenzsorgen der Beschäftigten aber zeigen Arbeitgeber in Tarifrunden oftmals nur wenig Verständnis. Deshalb sind Streiks nötig. Und inzwischen geht es auch um das Recht zu streiken.

Die Verhandlungsführerin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, SPD, kritisierte angesichts der Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst die hohe Streikbereitschaft der Gewerkschaften. Dabei hatten es die Arbeitgeber selbst in der Hand, die Streiks abzuwenden. Mit einem vernünftigen Angebot hätten sie schon in der zweiten Verhandlungsrunde eine Einigung erzielen können.

Auch nach den letzten Flughafenstreiks gab es Kritik. Der Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Markus Jerger, befand, ver.di trage ihre Tarifforderungen auf dem Rücken der gesamten deutschen Wirtschaft aus, das sei nicht hinnehmbar. Doch auch hier hätten gute Angebote für die Beschäftigten den Tarifkonflikt beenden können. Den Beschäftigten geht es um mehr Geld, aber auch darum, neues Personal zu finden. Das wandert sonst in die Branchen ab, wo es bessere Löhne erhält. Noch so einen Sommer wie im letzten Jahr wollen die Flughafenbeschäftigten genauso wenig erleben wie die Passagiere, mit langen Warteschlangen und umherirrenden Koffern, weil Personal fehlt.

Auch in Großbritannien wurde in den letzten Wochen vermehrt im öffentlichen Dienst gestreikt. Klinikpersonal, Lehrer, Rettungskräfte, U-Bahn-Fahrerinnen, sie alle waren gezwungen, in den Ausstand zu gehen. Den Beschäftigten gilt unsere Solidarität, betont der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Er weist darauf hin, dass es in Großbritannien bereits ein eingeschränktes Streikrecht gibt. Dazu gehören verpflichtende Abstimmungen, bevor ein Streik stattfinden könne, und einiges mehr.

Die britische Regierung will das Streikrecht aber weiter verschärfen. Öffentliche Dienstleistungen sollen als Basisfunktion während Streiks aufrecht- erhalten bleiben und sollte nicht wenigstens ein Drittel der Beschäftigten weiterarbeiten, dann sollen Gewerkschaften für Schäden haftbar gemacht werden. "Die britische Regierung will die britischen Gewerkschaften in den Bankrott führen", sagt der ver.di-Vorsitzende.

Arbeitskämpfe sind die Ausnahme

Doch was in Großbritannien geschieht, wird nun auch in Deutschland diskutiert: So fordert die Präsidentin der Mittelstandsunion von CDU und CSU, Gitta Connemann, die Pflicht zur Ankündigung von Streiks vier Tage vor deren Beginn. Zudem solle in wichtigen Einrichtungen wie Verkehr, Rettungsdiensten oder Energie- und Wasserversorgung nur nach einer Zwangsschlichtung gestreikt werden dürfen. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, fordert zudem, ein Gesetz müsse regeln, dass Arbeitskämpfe die Ausnahme seien.

Streiks sind sowieo immer das letzte Mittel in einem Tarifkonflikt. Dass die Mittelstandsunion und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gerade jetzt Einschnitte ins deutsche Streikrecht fordern, zeige, so der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke, "unsere Streiks wirken und tun weh!" Er betonte, ver.di sei nicht nur solidarisch mit den britischen Kolleg*innen, man werde das Streikrecht auch hier verteidigen. "Das Streikrecht ist im Grundgesetz verankert. Es hat Verfassungsrang. Wir lassen uns das Streikrecht nicht nehmen. Hände weg vom Streikrecht."

Zudem: Gewerkschaften verhandeln selbstverständlich – wenn sie zum Streik aufrufen – auch Notdienste in wichtigen Branchen, beispielsweise im Gesundheitswesen. Flughafenstreiks werden bereits viele Tage vorher angekündigt, damit Passagiere rechtzeitig umplanen können. Für die Beschäftigten lohnen sich Arbeitskämpfe – immerhin verdient ein tariflich bezahlter Beschäftigter laut Hans-Böckler-Stiftung im Schnitt 11 Prozent mehr als jemand, der in einem vergleichbaren Unternehmen ohne Tarifbindung arbeitet.

Gewerkschaften ohne Streiks, das ergibt deshalb überhaupt keinen Sinn. Schon 2012 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Tarifverhandlungen ohne das Recht auf Streik "kollektives Betteln" seien. Und: Ohne Streiks wäre die Arbeitswelt eine andere: Es gäbe keine geregelten Arbeitszeiten, keinen Mutterschutz, kein Urlaubsgeld, kein Krankengeld und auch keine regelmäßigen Lohnerhöhungen. Auch all das und einiges mehr wurde erstreikt. Das Recht auf Streik – wir lassen es uns nicht nehmen.