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Protestierende der Flugbegleitergewerkschaft ASSAFoto: Gutierrez/picture alliance / dpa

Ein Ende eines jahrelangen Arbeitskampfes ist in Sicht. Anfang des Jahres haben die mexikanische Regierung und die ehemaligen Beschäftigten der Airline Mexicana de Aviación eine Vereinbarung über den Kauf der Vermögenswerte der stillgelegten Fluggesellschaft getroffen, die den Beschäftigten von Gerichten zugesprochen worden waren. Geht es nach den Plänen der Regierung Andrés Manuel López Obrador soll eine neue Airline mit dem traditionsreichen Namen noch vor Ende des Jahres abheben und vom Verteidigungsministerium betrieben werden. Die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen wurden geschaffen.

Fast 13 Jahre dauert der Konflikt nun schon. Die ehemals staatliche Fluglinie Mexicana war 2005 für einen Bruchteil ihres Wertes privatisiert worden – einschließlich der mit 130 Millionen US-Dollar gut gefüllten Pensionskasse. Fünf Jahre später hatte die drittälteste Airline der Welt einen Schuldenberg von mehr als 800 Millionen US-Dollar angehäuft. Mexicana beantragte Konkurs und stellte 2010 den Flugbetrieb ein. Noch immer warten rund 9.000 frühere Mitarbeiter auf die Auszahlung ihrer Abfindungen und Pensionen.

Gewaltsame Räumung

López Obrador war mit dem Versprechen angetreten, den Konflikt zu lösen. Doch im September räumten Marinesoldaten gewaltsam eine von früheren Mexicana-Beschäftigten betriebene Cafetería in einem besetzten Abschnitt des Internationalen Flughafens von Mexiko-Stadt. Seit 2015 hatten diese dort selbstgemachte Sandwiches, Gebäck und Kaffee verkauft, um ihren jahrelangen Kampf zu finanzieren und auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Wenige Monate nach der Räumung unterbreitete die Regierung dann einen Vorschlag zum Kauf der Marke, eines Ausbildungszentrums und zweier Gebäude (in Guadalajara und Mexiko-Stadt) für 816 Millionen Pesos (rund 44 Millionen Euro). Fausto Guerrero Díaz, Präsident der Vereinigung der früheren Mexicana-Angestellten AJTEAM spricht gegenüber verdi publik von einer zweiten Chance durch die Regierung, nachdem zuvor die Gründung einer Kooperative am Widerstand der Gewerkschaften gescheitert war, wie er sagt.

Auch wenn die von der Regierung angebotene Summe nicht einmal zehn Prozent dessen ausmacht, was den Ex-Beschäftigten der Fluggesellschaft laut Schiedssprüchen zusteht – die Rede ist von mehr als neun Milliarden Pesos (484 Millionen Euro) – stimmten die Pilotengewerkschaft (ASPA), die Flugbegleitergewerkschaft (ASSA), die Transportarbeitergewerkschaft (SNTTTASS) und auch die von Guerrero geführte AJTEAM-Gruppe der Vereinbarung zu.

Doch der Deal steht auf der Kippe. "Viele meinten, die Regierung biete zu wenig Geld", sagt Guerrero. "Aber woran machen sie das fest?" Er selbst hält das Angebot für vernünftig. "Machen wir uns nichts vor. Was sie kaufen, ist nicht mehr wert." In all den Jahren habe es keinen einzigen Investor gegeben, der gesagt hätte: Hier ist das Geld. In der Zwischenzeit verlieren die Vermögenswerte von Mexicana an Wert, sagt Guerrero, "Und am Ende des Tages sind wir die einzigen Verlierer." Er zitiert eine Untersuchung, wonach die Marke Mexicana 2015 noch 135 Millionen US-Dollar wert war, 2017 bereits nur noch 75 Millionen und 2022 gerade noch 20 Millionen. "Also haben wir beschlossen, eine Vereinbarung (mit der Regierung, Anm. der Redaktion) zu treffen."

Angebot torpediert

Dann aber stellte sich eine kleine Gruppe Dissidenten quer und torpedierte die Einigung. Als das Angebot der Regierung auf dem Tisch lag, beschloss eine Gruppe von 229 ehemaligen Beschäftigten, einen Rechtsstreit wieder aufzunehmen, um einen vor Jahren erwirkten Schiedsspruch durchzusetzen, der ihnen die Zahlung von rund 400 Millionen Pesos (21,5 Millionen Euro) aus der Konkursmasse der Fluggesellschaft zugestand.

"Ich kann Ihnen sagen, dass ich mit ihnen übereinstimme. Wir waren uns immer einig, dass wir mehr Geld verdient haben", sagt Guerrero. Die Klage hält er trotzdem für kontraproduktiv. "Was uns veranlasst hat, den Rechtsweg zu verlassen, ist der Zeitfaktor. Es kann fünf bis acht Jahre dauern, bis wir uns in dem Prozess durchsetzen. In dieser Zeit verlieren die Vermögenswerte weiter an Wert. Aber das Wichtigste: Wir dürfen uns diese zweite Chance seitens der Regierung nicht entgehen lassen, das heißt wir nehmen lieber einen kleinen Prozentsatz von etwas, als 100 Prozent von nichts zu beanspruchen."

Hinzu kommt die Frage der gerechten Verteilung. Man habe sich untereinander darauf verständigt, die Mittel proportional zu verteilen, sagt Guerrero. "Wir haben das Szenario, dass es nur 816 Millionen Pesos gibt. Wir sind 8.500 Arbeitnehmer und 650 Pensionäre. Wie verteilen wir? Wenn also eine Gruppe von den 816 Millionen Pesos 400 Millionen für rund 500 Pensionäre einfordern will, sollen die restlichen 416 Millionen auf die 8.500 Beschäftigten verteilt werden?"

Das Ultimatum

Wann es eine Entscheidung in dem Rechtsstreit geben wird, steht in den Sternen. Durch die Auseinandersetzung vor Gericht aber ist die Vereinbarung mit der Regierung in Gefahr. Ende Mai stellte Präsident López Obrador den dissidenten Beschäftigten ein Ultimatum: Entweder sie lassen ihre Klagen fallen und erlauben den Verkauf der Vermögenswerte und der Marke bis Anfang Juni, oder er werde das Kaufangebot zurückziehen.

Das reale Risiko, die letzte Chance zu verlieren, einen Teil der Mexicana-Schulden zurückzuerhalten, hat bei den übrigen Beschäftigten, darunter Guerreros AJTEAM-Gruppe, die Alarmglocken schrillen lassen. Sie haben die Gruppe der 229 ehemaligen Beschäftigten aufgefordert, ihre Position zu überdenken und dem Verkauf zuzustimmen. López Obrador gewährte den Beschäftigen mittlerweile einen Monat mehr Zeit, um den Rechtsstreit beizulegen. Anfang Juli aber läuft das Ultimatum endgültig aus. Noch sind die Fronten verhärtet.