Ausgabe 07/2023
Auf Augenhöhe verhandelt
Im Oktober 2023 machten Kollegen der chilenischen Gewerkschaft Sindicato de Trabajadores Logistica Walmart (SLW), der Gewerkschaft der Logistikbeschäftigten bei Walmart, auf einer Rundreise durch Europa auch in Hamburg Station. Die Reise sollte dazu dienen, internationale Kontakte aufzubauen und vor allem im Bereich der Warenhauslogistik Erfahrungen mit europäischen Gewerkschaften auszutauschen.
In Hamburg war die Delegation deshalb Gast bei der Fachgruppe Groß- und Außenhandel. Die Kolleg*innen tauschten sich lebhaft über die Situation in Chile, aber auch über gewerkschaftliche Fragen in Deutschland aus. Zuvor gab es Gespräche mit ver.di-Landesbezirksleiterin Sandra Goldschmidt, Markus Wichmann von der Internationalen Transportarbeiter-Föderation sowie Sebastian Kalkowski und Maik Pulter vom Gesamthafenbetrieb.
In Chile ist die Organisierung in Gewerkschaften erst seit 1990 wieder möglich. Gewerkschaften waren 1973 nach dem Putsch Pinochets gegen die rechtmäßig gewählte sozialistische Regierung Salvador Allendes verboten worden. Noch heute bestehen viele Hürden bei der Gewerkschaftsarbeit.
Die Gewerkschaft SLW ist in zwei von drei großen Verteilzentren von Walmart in Chile organisiert, eins davon mit ca. 600 Beschäftigten ist für die Verteilung der Nahrungsmittel zuständig, das andere, mit ca. 800 Beschäftigten, für den "Non-Food"-Bereich. Als die Lager zu Walmart übergingen, begannen die Kolleg*innen, sich zu organisieren. Dabei kam es 2006 zum bisher einzigen Streik. Heute, 16 Jahre nach der Gewerkschaftsgründung, gibt es in beiden Verteilzentren etwa 1.200 Mitglieder – ein Organisationsgrad von 94 Prozent.
Vor Tarifverhandlungen wurde jedes Mitglied aufgefordert, den Warenein- und -ausgang genau zu dokumentieren. So verfügt die Gewerkschaft über tatsächliche Produktivitätszahlen, mit denen sie das Management in Tarifverhandlungen konfrontieren konnte, um auf Augenhöhe zu verhandeln. Tarifvertragliche Boni und Leistungszulagen ermöglichten eine Verdoppelung des sehr niedrigen Mindestlohns.
Die SLW hat auch Freistellungen von Gewerkschaftsfunktionär*innen ausgehandelt, die neben den Verhandlungen auch Betriebssportaktivitäten organisieren und vor allem für berufliche und gewerkschaftliche Fortbildungen zuständig sind. Die SLW gehört keinem Dachverband an, da sie die chilenischen Dachverbände als politisch von den Parteien gesteuert ansieht. L. Stubbe