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Das Bundesverfassungsgericht hat sein Urteil gefällt – ganz im Sinne der RechtssprechungFoto: Uli Deck/dpa

1. Was hat das Bundesverfassungsgericht zum Bundeshaushalt entschieden?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil vom 15. November den zweiten Nachtragshaushalt 2021 der Bundesregierung im Rahmen der Schuldenbremse für nichtig erklärt. Die Ampelkoalition hatte nicht genutzte Kredite in Höhe von 60 Milliarden Euro, die ursprünglich zur Bekämpfung von Corona und dessen Auswirkungen vorgesehen waren, in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verschoben. Über diesen Fonds sollen Investitionen etwa in Infrastrukturmaßnahmen und die Dekarbonisierung der Industrie finanziert werden. Das Bundesverfassungsgericht sagt, der Gesetzgeber habe den notwendigen Veranlassungszusammenhang zwischen einer Notlage und den ergriffenen Antikrisenmaßnahmen nicht ausreichend begründet. Zudem widerspreche die zeitliche Entkoppelung zwischen der Feststellung einer Notlage und der Einsatz von sogenannten Kreditermächtigungen den Verfassungsgeboten der Jährlichkeit und Jährigkeit. Die unbegrenzte Nutzung von notlagenbedingten Krediten in nachfolgenden Haushaltsjahren – ohne Anrechnung auf die Schuldenbremse – sei deshalb nicht zulässig. Auch einige Landeshaushalte sind von dem Urteil betroffen. Sie haben wie zum Beispiel die ostdeutschen Bundesländer ebenfalls Fonds zur längerfristigen Finanzierung von notwendigen Transformationsprozessen gebildet.

2. Welche Folgen hat das Urteil für den Bundeshaushalt?

Der Ampelkoalition fehlen auf einem Schlag 60 Milliarden Euro für staatliche Investitionen und andere geplante Ausgaben. Zudem erschwert das Urteil des Bundesverfassungsgericht Bund und Ländern, künftig Investitionen weiterhin auch über mehrere Jahre zu finanzieren, ohne dass diese Investitionen im jeweiligen Haushalt eingerechnet werden. Das Problem: In Klima, Infrastruktur, Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohnen etc. muss aktuell so viel investiert werden, was nicht allein über die Kernhaushalte finanziert werden kann. Der haushaltspolitische Handlungsspielraum ist somit durch die Schuldenbremse enorm eingeschränkt.

3. Wie reagiert die Bundesregierung auf das Urteil?

Das Bundesfinanzministerium hat die 60 Milliarden Euro aus dem KTF sofort gelöscht, sämtliche Kreditermächtigungen des Bundes wurden gesperrt, um weitere Verpflichtungen für die Zukunft erst einmal zu vermeiden. Zudem wurden die Mittel aus dem KTF, dem WSF und weiteren "Sondervermögen" (die eine Umgehung der Schuldenbremse ermöglichen) komplett gesperrt. Ausgenommen davon sind lediglich bereits vertraglich vereinbarte Verpflichtungen.

4. Wie kommt die Bundesregierung nun zu den Milliarden, die schon eingeplant waren?

Die Bundesregierung muss jetzt neu festlegen, welche politischen Vorhaben aus dem KTF, dem WSF und dem Bundeshaushalt wichtig sind und wie sie finanziert werden sollen. Als Ausweg könnte die Bundesregierung auch für 2024 eine Notlage erklären, die der Bundestag mit einfacher Mehrheit beschließen könnte. So wäre die Schuldenbremse weiterhin außer Kraft gesetzt. Eine solche Notlage muss aber aufgrund des BVerfG-Urteils gut begründet sein.

Alternativ könnte die Bundesregierung die Finanzierungslücke auch durch Haushaltskürzungen an anderer Stelle schließen. Auch eine Erhöhung der Staatseinnahmen durch höhere Steuern ist denkbar. Das schließt allerdings die FDP kategorisch aus. Bliebe noch die Schaffung eines neuen Sondervermögens für Klimaschutz und (soziale) Infrastruktur – ähnlich wie bei der Bundeswehr. Hier wurde das Grundgesetz geändert. Das Problem: Dafür bedarf es einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestags. Auch für die Reform der Schuldenbremse, die dringend nötig wäre, scheint momentan keine Mehrheit vorhanden zu sein.