Die fünf reichsten Männer der Welt kassieren über 300 Millionen Euro – jeden Tag. Seit 2020 hat sich ihr Vermögen verdoppelt. Gleichzeitig sind die ärmsten 60 Prozent der Weltbevölkerung noch ärmer geworden. Das belegen Zahlen, die die Nichtregierungsorganisation Oxfam veröffentlicht hat. Dass die Spaltung so krass zunimmt, liegt auch daran, dass Multimilliardäre sich kaum an der Finan­zierung staatlicher Aufgaben beteiligen müssen. Nur 4 Prozent der weltweiten Steuereinnahmen stammen aus Vermögen. In einer so organisierten Welt hat das Gemeinwohl einen geringen Stellenwert.

Annette_Jensen.jpeg
Annette Jensen, freie AutorinBritta Knäbel

An der Spitze steht Elon Musk, der nicht nur Unmengen an Geld, Immobilien und Unternehmen zusammenrafft. Der Egomane vergreift sich auch an lebens­wichtigen Gemeingütern wie Wasserressourcen und belastet das Klima durch völlig irrsinnige Weltraumflüge. Und damit ist er keine Ausnahme. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung verursacht so viele CO₂-Emissionen wie die 5 Milliarden Menschen am unteren Ende. Einmal mehr zeigt sich: Soziale und ökologische Ungerechtigkeiten verschärfen sich gegenseitig.

Deutsche Multimilliardäre legen mehr Wert auf Diskretion als auf Selbst­darstellung, aber ihr Eigentum wächst ebenfalls rasant. In Spanien, Norwegen oder der Schweiz reklamiert der Staat immerhin einen Teil des privaten Reich­tums für sich – anders als in Deutschland. Hier wurde die Vermögenssteuer 1997 abgeschafft. Kein Wunder, dass die Schere zwischen arm und reich bei uns weiter auseinanderklafft als fast überall sonst in Europa.

Das alles ist nicht nur im höchsten Maße ungerecht. Es wirkt auch wie Gift für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und eine gute Zukunft. Seit Jahren wird gespart an dem, was allen gehört und nützt. Das Bildungssystem ist massiv unterfinanziert und verbaut vor allem Kindern aus wenig betuchten Familien ihre Entwicklungschancen. Die Mär, dass die Privatwirtschaft alles besser kann, hat dazu geführt, dass die Interessen von Investoren im Kranken- und Pflegebereich dominieren. Das geht auf Kosten von Patient*innen und Beschäftigten – und macht die Reichen noch reicher.

„Die Zukunft steht nicht fest. Sie entwickelt sich aus dem, wie wir heute handeln.“

Wer viel hat, kann auch viel ausgeben, um Politik und gesellschaftliche Debatten zu beeinflussen. Dafür kommen finanziell gut ausgestattete Stiftungen und Lobbyverbände zum Einsatz, die kritische Positionen als „Neiddebatten“ brandmarken. Geschickt mobilisieren sie auch Ängste und Einfluss von Wohlhabenden, um jede Form von Vermögensabschöpfung zu verhindern. Dabei schreibt das Grundgesetz vor, dass der Schutz des Eigentums mit der Verpflichtung verbunden ist, auch dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen – denn alles andere untergräbt die Demokratie.

Die FDP aber versteht sich als Bollwerk gegen jede Form von Steuererhöhung, und in der Ampel-Regierung findet nicht einmal eine Debatte über das Thema statt. Das ist angesichts der aktuellen Lage völlig verantwortungslos. Der sozial- ökologische Umbau braucht Investitionen – und Hilfen für Menschen, die die damit einhergehenden höheren Energie- und Lebensmittelkosten nicht stemmen können. Das Geld ist da. Müssten alle Leute mit mehr als 4,6 Millionen Euro nur 2 Prozent Vermögenssteuer zahlen und Multimilliardäre sich mit 5 Prozent an der Staatskasse beteiligen, kämen in Deutschland laut Oxfam über 85 Milliarden Euro zusammen. Das würde den Bundeshaushalt um knapp 20 Prozent erhöhen und wäre genug, um den Umbau anzuschieben und grundlegende Verbesserungen in Bildung, Gesundheit und Entwicklungszusammenarbeit umzusetzen.

Ein solches Gesetz würde die Reichen keineswegs arm machen; in den aller­meisten Fällen dürfte ihr Vermögen trotzdem weiterwachsen. Doch es wäre ein Beitrag, um gesellschaftliche Spannungen zu reduzieren und den Populisten das Wasser abzugraben. Die profitieren von Ohnmachtsgefühlen – und erklären völlig Unschuldige zu Sündenböcken.

Die Zukunft steht nicht fest. Sie entwickelt sich aus dem, wie wir heute handeln. Gerade sammelt die Europäische Bürgerinitiative „Tax the Rich“ Unterschriften, um Multimillionäre und -milliardäre zu besteuern. Wenn ein Großteil der ver.dianer*innen mitmacht, ist das Quorum für Deutschland erreicht. Eine Million Stimmen aus sieben Mitgliedsstaaten – das sollte gelingen! Dann muss sich die EU-Kommission damit beschäftigen, und auch die Bundesregierung kann ein solches Votum kaum ignorieren.

Also gleich unterschreiben: aktion.oxfam.de/tax-the-rich

Mehr zum Thema Seite 14