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Aïda Muluneh

In Aïda Mulunehs Fotografien explodieren die Farben und dennoch erzählen sie eher still und poetisch von Zuständen, die nicht auf den ersten Blick zu fassen sind. Auch das hier zu sehende Bild scheint zweideutig. Zwar sitzt auf der rechten Hand der Frau eine weiße Taube, ein Symbol für den Frieden, gleichzeitig wirken die blauen und weißen Linien, Punkte und Flächen in ihrem Gesicht wie eine Kriegsbemalung. Die Fotografie von 2017 trägt den Titel „Kompromiss“ und gehört zur Serie „Memory of Hope“, was sich mit „Gedächtnis der Hoffnung“ übersetzen lässt. Aïda Muluneh ist Äthiopierin und sie ist mehr oder weniger mit dem Bürgerkrieg im Land aufgewachsen. Aber nichts ist einfach nur Schwarz und Weiß oder Schwarz oder Weiß. Als ihr Foto entsteht, scheint Äthiopien befriedet und dennoch reißen die kriegerischen Auseinandersetzungen bis heute nicht ab. Immer wieder wird in der Region Tigray gekämpft. Die Lage ist so ernst wie der Blick der Hoffnungsträgerin in ihrem Bild. Diese Ernsthaftigkeit zeichnet nahezu ihr gesamtes Werk aus. Die Fotografin setzt sich in ihren Arbeiten mit den großen Konflikten ihres Landes und des afrikanischen Kontinents auseinander, mit Kriegen, mit dem Zugang zu Wasser, Nahrung und Bildung, dem Missbrauch von Macht und vor allem der Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Frauen. Es sind Fotografien im Stil des sachlichen Surrealismus, der an die Gemälde von Frida Kahlo erinnert, der Künstlerin, die wie keine andere zuvor ihr Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit zum Gegenstand ihrer Bilder machte. Aïda Muluneh steht in dieser Tradition und hat doch ihre ganz eigene Bildsprache gefunden. Ihre Fotografien sind ein Fest für die Augen, die tief blicken lassen, weil sie kaum etwas mit den Bildern zu tun haben, die wir gemeinhin von Afrika kennen. Petra Welzel

Ausstellung: AÏDA MULUNEH. ON THE EDGE OF PAST FUTURE, ­Fotografie Forum Frankfurt, Braubachstraße 30–32, 60311 Frankfurt am Main, bis 14. April 2024, fffrankfurt.org