Liebe Leserin, lieber Leser,

die Nachricht ist bedrückend und überrascht doch nicht: Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Gallup haben aktuell 7,3 Millionen Menschen ihre Arbeit bereits innerlich gekündigt. Das sind 19 Prozent aller Beschäftigten ab 18 Jahren, also knapp ein Fünftel, Beschäftigte, die keine Bindung mehr zu dem Unternehmen verspüren, für das sie arbeiten. Es ist der höchste Stand seit 2012.

Es sind oft die Unternehmen selbst, die dazu beitragen, dass sich viele Beschäftigte nicht mehr mit ihnen und ihrer Arbeit identifizieren. Wo Wertschätzung ausbleibt, sinkt die Motivation zur Arbeit zu gehen, sich auch mal ins Zeug zu legen, wenn das Geschäft es erfordert. Allein ein Blick in den Handel zeigt ein Kernproblem: Seit bald einem Jahr streiten und kämpfen dort die überwiegend weiblichen Beschäftigten um Anerkennung für ihre Arbeit, um einen Ausgleich der Reallohnverluste, die sie durch die stark gestiegenen Preise in den letzten zwei Jahren erlitten haben. Und: Galeria Karstadt Kaufhof steckt erneut in einer Insolvenz, wieder sind tausende Arbeitsplätze bedroht. Bei den trüben Aussichten bleibt oft nur die innere Kündigung.

Doch zu streiken, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, schafft in solchen Situationen auch immer wieder einen neuen Zusammenhalt. Der ist bei den Beschäftigten im Handel nämlich ungebrochen. Die gemeinsame Sache hält auch die Beschäftigten der Kirchen, bei Caritas und Diakonie schon seit Jahren zusammen. Ihren Kampf ums Streikrecht geben sie nicht auf (Bericht Seite 5). Und Letzteres lassen sich auch die Beschäftigten in England nicht nehmen, wo das Recht auf Streik immer weiter eingeschränkt wird (Bericht Seite 13).

Wie wichtig gerade in diesen schwierigen Zeiten der geballte Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen ist, zeigt auch unser Hintergrund (Seiten 6+7) zu kollektiven Aktionen gegen rechte Umtriebe auf der Arbeit: Demokratie beginnt im Betrieb. Wir haben die Wahl, jeden Tag.

Petra Welzel
Chefredakteurin der ver.di publik