Görlitz ASB-Seniorenheim
Nicht der Streik gefährdet die Bewohner, sondern der Normalzustandver.di

Beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Görlitz haben die Beschäftigten Anfang April erstmals gestreikt. Seit ein paar Wochen treten auch immer mehr ASB-Beschäftigte bei ver.di ein. Gemeinsam kämpfen sie für einen Tarifvertrag mit einer anständigen Lohnerhöhung. „Wir wollen über unsere Arbeitsbedingungen mitbestimmen und sind bereit , dafür zu kämpfen“, beschreibt Pflegefachkraft Mila Sonne (Name geändert) die Stimmung.

Am 5. April gingen die Tarifverhandlungen zwischen ver.di und dem ASB ohne eine Annäherung zu Ende. In den aktuellen Verhandlungen fordert ver.di für die Beschäftigten einen Inflationsausgleich von 3.000 Euro. Später soll auch noch ein Haustarifvertrag mit spürbaren Lohnerhöhungen verhandelt werden, erläutert ver.di-Sekretärin Theresa Menzel. Der ASB lehnt die Forderungen der Beschäftigten mit der Begründung ab, die Kassen würden das nicht refinanzieren. Thereza Menzel hat kein Verständnis für solche Arbeitgeberargumente, denn „die Pflegekassen refinanzieren das, sobald der Tarifvertrag anerkannt ist.“

Käme jetzt eine Einigung zustande, dann hätte man vier Monate Zeit, um die Refinanzierung bei den Pflegekassen zu beantragen und über den Haushalt abzusichern. Die Antwort der Beschäftigten auf die Verweigerungshaltung beim ASB folgte prompt: Am 9. April traten sie in großer Zahl erstmals in den Warnstreik. „Sogar Nicht-ver.di-Mitglieder haben mitgestreikt“, sagt Menzel.

„Ich hoffe, der Warnstreik hat noch mehr von uns im Betrieb wachgerüttelt. Es geht um Verbesserungen für uns alle“, betont Pflegefachkraft Lara Kant (Name geändert), die schon Jahrzehnte dort arbeitet. Seit ein paar Jahren würde die Geschäftsführung alle Extras im Altenheim runterfahren, berichtet sie. Ob Einkaufsgutschein, Jobfahrrad, Inflationsausgleich oder faire Lohnerhöhungen, alles würde abgelehnt. Auch in der Verwaltung, im Fahrdienst oder in der Küche werde fast nur knapp über dem Mindestlohn gezahlt und oft nur in Teilzeit gearbeitet. „Das Einkommen reicht vorne und hinten nicht.“

ASB will tricksen

Welche Gewerkschaft in einem Betrieb die Interessen der Beschäftigten vertritt,entscheiden die Beschäftigten (Koalitionsfreiheit). Beim ASB Görlitz besteht daher kein Zweifel an der Tarifzuständigkeit der ver.di, denn die Beschäftigten haben sich in ver.di organisiert. Die Geschäftsführung des ASB ignoriere jedoch beharrlich den Willen der Belegschaft und wolle tricksen, sagt ver.di-Verhandlungsführer André Urmann. Um im Unternehmen und in der Öffentlichkeit den Eindruck zu vermitteln, dass man eine Tarifbindung wolle, hat sich der ASB selbst eine Organisation ausgesucht, mit der er einen Tarifvertrag abschließen will. Ohne Beteiligung der Beschäftigten.

Man dürfe getrost unterstellen, dass es kein guter Tarifvertrag sein wird, denn sonst würde der Arbeitgeber mit ver.di einen fairen Kompromiss suchen. Dass der ASB selbstherrlich entscheiden wolle, mit wem er einen Tarifvertrag abschließe, sei ein unglaubliches Vorgehen. „Der ASB in Görlitz tritt die verfassungsmäßig garantierte Koalitionsfreiheit mit Füßen. Wer so vorgeht, der sucht nicht die beste Lösung für seine Leute, der zeigt keine Wertschätzung, der will mit den Beschäftigten nicht auf Augenhöhe agieren“, so Urmann. Die ver.di-Mitglieder lassen sich aber nicht davon beeindrucken. Fast die halbe Belegschaft sei inzwischen in ver.di organisiert, um gemeinsam mit ver.di für Lohnerhöhungen und bessere Bedingungen zu kämpfen, erläutert Gewerkschafterin Menzel.

Die Beschäftigten beim ASB fühlen sich von der Geschäftsführung im Stich gelassen. „Erst haben wir während der Corona-Pandemie unsere eigene Gesundheit aufs Spiel gesetzt, jetzt fehlen uns die Fachkräfte“, fast Pflegefachkraft Mila Sonne die Situation zusammen, die ebenfalls schon viele Jahre beim ASB arbeitet. „Wir haben uns um Kranke und Sterbende gekümmert und sind selbst krank geworden. Wir haben so viel ertragen und der ASB verwehrt uns die Inflationsprämie und eine angemessene Lohnerhöhung.“ Dafür habe sie kein Verständnis. Im Gegenteil, ein Tarifvertrag mit ver.di würde die Arbeit attraktiver machen und neue Fachkräfte motivieren. Das wäre verantwortungsvoll und zukunftsweisend.