Ausgabe 07/2024
Viele Ungerechtigkeiten bereinigt
Seit Jahren setzen sich die Betriebsräte der Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH (LVB) für bessere Arbeitsbedingungen ein. Nun hat es der Konzernbetriebsrat in die Runde der letzten zwölf Bewerber für den Deutschen Betriebsrätepreis geschafft. Im November werden die Preisträger bekanntgegeben.
Früher war der Verkehrsbetrieb ein volkseigener Betrieb, der alle Leistungen wie Fahrdienste, Werkstattbetrieb, Gleiswartung und Verwaltung aus einer Hand anbot. Nach dem Ende der DDR blieb diese Struktur zunächst erhalten. Doch mit der Privatisierungswelle entstanden viele eigenständige Unternehmen. "Tochtergesellschaften wurden gegründet, um dort Beschäftigte zu schlechteren Konditionen einzustellen", erinnert sich der langjährige Konzern-Betriebsratsvorsitzende Jens Herrmann-Kambach. "Außerdem sollten Private geworben werden, was aber zum Glück kaum klappte", ergänzt Beate Heinze, seine Stellvertreterin und Betriebsratsvorsitzende bei den Fahrdiensttöchtern LeoBus (Busfahrer), LSVB (Straßenbahnfahrer) und den LVB.
Heute sind die LVB eine kommunale GmbH mit nur noch einem privaten Partner: Siemens bei der IFTEC GmbH, die für Schienenfahrzeuge und Gleisinfrastruktur zuständig ist. Die Konzernstruktur mit der Mutter LVB und zwischenzeitlich mehr als sechs Tochtergesellschaften brachte einige Ungerechtigkeiten mit sich. Das wollten die Arbeitnehmervertretungen mit ihrem Projekt bereinigen.
So ging es los
Auslöser war die Kündigung eines Mitarbeiters, der als Führungskraft von den Leipziger Stadtwerken zu einer LVB-Tochter gewechselt war. "Es gab zwar eine Tarifvereinbarung 'Führen auf Probe', die einen Jobwechsel in eine Führungsposition ohne Probezeit sowie mögliche Rückkehr zum vorherigen Arbeitsplatz vorsah. Die galt aber nur in der Muttergesellschaft", erläutert Jens Herrmann-Kambach. 2018 konnte schließlich eine Konzernbetriebsvereinbarung geschlossen werden, mit der die tarifliche Regelung konzernweit umgesetzt wurde. Da der Arbeitgeber ebenfalls daran interessiert war, ging die Entscheidung zügig über die Bühne.
Schwieriger gestaltete sich der zweite Projektschritt, die Ausweitung des konzerninternen Stellenwechsels ohne Probezeit und mit Rückkehrrecht für alle Beschäftigten. Mit der Geschäftsleitung konnten die Betriebsräte eine Kompromisslösung vereinbaren: Für maximal zwei Jahre können Beschäftigte nun per Abordnung innerhalb des LVB-Konzerns einer anderen Arbeit nachgehen, wobei die angestammten tariflichen Rechte erhalten bleiben. Nächster Schritt der Beschäftigtenvertretungen war es, eine konzernweite Regelung zur Stellenbesetzung durchzusetzen. 2023 wurde schließlich auch dazu eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen, die Bewerbungen von einer Tochter zur anderen oder zur Muttergesellschaft ermöglicht. Statt einer sechsmonatigen Probezeit gilt eine sechswöchige Erprobungsphase, in der auch die Rückkehr an den früheren Arbeitsplatz möglich bleibt.
Wie wichtig diese KBV ist, wurde kurz vorher im Fall einer Mitarbeiterin, die von einer Assistenzstelle im Tochterbetrieb LTB (Fahrzeugmanagement) ins Archiv des Mutterkonzerns LVB wechselte, deutlich. "Die Führungskraft, übrigens identisch für beide Betriebe, kündigte der Kollegin während der Probezeit. Die Kollegin hat mit unserer Unterstützung erfolgreich Widerspruch beim Arbeitsgericht eingelegt. Dabei spielte die kurz vor dem Verhandlungstermin abgeschlossene KBV eine Rolle", sagt der KBR-Vorsitzende.
Da der LVB-Konzern weiter wachsen will, bereitete der KBR auch den Aufbau einer konzernweiten Mitbestimmungsstruktur vor. "Es geht darum, dass an keiner Stelle ökonomische Entscheidungen zu Lasten anderer Tochtergesellschaften getroffen werden", so Jens Herrmann-Karbach. Inzwischen gibt es einen Konzernwirtschaftsausschuss. Außerdem wurde vor anderthalb Jahren einheitlich geregelt, dass alle 2.900 Beschäftigten der LVB und ihrer Töchter kostenlos die Busse und Straßenbahnen in Leipzig nutzen können.
Nach langem Einsatz haben die Beschäftigtenvertretungen zudem die Angleichung der Bezahlung der beiden Fahrertochtergesellschaften LSVB und LeoBus erreicht. "Da inzwischen für alle Fahrer identische Tarife gelten sowie alle Konzernbetriebsvereinbarungen, entfiel zum Teil der Zweck der früheren Aufsplitterung", sagt Beate Heinze. So werden zum 1. Januar 2025 die Fahrdiensttöchter aufgelöst. 1.400 Beschäftigte von dort sind dann bei den LVB direkt angestellt. Lediglich die Werkstatt der LeoBus wird mit der LTB (Fahrzeugmanagement)-Werkstatt verschmolzen.
Das große Ziel
"Generell bleibt die volle Rekommunalisierung ein Thema", betont Jens Herrmann-Kambach. Es ist aber ein Erfolg, dass es bald nur noch vier Tochtergesellschaften statt sechs geben wird, von denen nur noch zwei einen separaten Haustarifvertrag haben. Bei LeoBus und den Ausbildungsbetrieben LAB gilt ebenfalls der TV-N Sachsen. So können die LVB-Betriebsräte nach sechs Jahren Projektdauer eine stattliche Bilanz vorweisen.