Blackbox Steuerpolitik – Wahlzeit! Auf dem politischen Parkett ist der Wahlkampfmodus aktiviert. Insbesondere der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner, FDP, fordert weiter die Wirtschaftswende, wirbt mit Steuersenkungen und befeuert den Mythos vom Hochsteuerland Deutschland. Julia Jirmann, Wirtschaftswissenschaftlerin und -juristin im Netzwerk Steuergerechtigkeit e.V., entzaubert diesen Mythos und breitet in ihrem durchweg lesenswerten Buch Blackbox Steuerpolitik die Mechanismen von Steuerprivilegien aus.

Sie erinnert daran, dass Wohlstand und Demokratie von der Finanzierung öffentlicher Güter und Leistungen abhängt, die der Staat nicht ausreichend bereitstellt. „Die Steuereinnahmen des Staates sind letztlich die Gemeinschaftskasse der Gesellschaft“, stellt sie voran und Steuern sollten Ungleichheiten angemessen ausgleichen. Aber, so ihr Befund, „in kaum einer anderen westlichen Demokratie sind Vermögen so ungleich verteilt wie in Deutschland“.

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An zahlreichen Beispielen zeigt sie, dass hier die Steuerpolitik nicht dazu beiträgt, soziale Ungerechtigkeit auszugleichen, sondern sie vielmehr voran­treibt. In den vergangenen drei Jahrzehnten wurden Vermögende und Unternehmen gleich dreifach entlastet: die Aussetzung der Vermögensteuer (Verlust in der Staatskasse 400 Mrd. Euro), die Aufhebung der Gewerbekapitalsteuer und die Senkung der Körperschaftssteuer von 30 auf 15 Prozent. Mit einer Neuauflage der Vermögensteuer würden die ­Vermögen ja nicht ausgezehrt, so die Autorin, sondern sie würden nur langsamer wachsen. Hohe Freibeträge und Gestaltungsmöglichkeiten bei großen Erbschaften bremsen die Besteuerung von leistungslosem Einkommen, moniert Jirmann mit Blick auf signifikante Details im Steuerrecht.

Ebenso kritisch sieht sie die Unternehmensbesteuerung, die Unternehmensverbände unisono mit den Freidemokraten als Wachstumsbremse titulieren. Nach ihrer Erkenntnis ­gingen allein durch Gewinnverschiebungen bei großen globalisierten Unternehmen der Staatskasse pro Jahr zwischen 6 und 30 Milliarden Euro als Steuereinnahmen verloren. Nur halbherzige und herausgezögerte Reformen, etwa durch die EU, haben bislang wenig Wirkung gezeigt. So hält Jirmann nichts von einer Steuersenkungspolitik zugunsten der Unternehmer, die eher Mitnahmeeffekte und damit Vermögenszuwächse generiert. Schließlich prangert sie „Share Deals“ an, bei denen Immobilienunternehmen sich beim Grunderwerb die Grunderwerbsteuer ersparen können. Gunter Lange

Julia Jirmann: Blackbox Steuerpolitik, Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn, 168 Seiten, 20 €, ISBN 978-3801206826