Bei kaum einem Thema unterscheidet sich der Umfang der Partei-Wahlprogramme mehr als bei der Frauenpolitik – ein Bereich, der in seiner Vielschichtigkeit zentrale gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Fragen berührt.

Während die Grünen auf ein umfassendes Gleichstellungskonzept setzen, das Reformen wie die Abschaffung des Ehegattensplittings, eine bundesweit einheitliche Unterstützung für Frauenhäuser mit gleichwertigen und bedarfsgerechten Standards, den Ausbau von Frauenhausplätzen und die Förderung geschlechtsspezifischer Forschung umfasst, verfolgt die CDU/CSU einen pragma­tischen Ansatz, der auf wirtschaftliche Aspekte wie Fachkräftesicherung und Schutz vor häuslicher Gewalt durch Frauenhäuser und elektronische Fußfesseln abzielt, ohne jedoch wichtige ­Reformen wie die Anhebung des Mindestlohns oder Änderungen am Ehe­gattensplitting zu unterstützen.

Die FDP betont liberale Ansätze, etwa die Integration des Schwangerschaftsabbruchs in die medizinische Ausbildung und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten, jedoch ohne umfassende soziale Reformen. Die SPD fokussiert sich auf Lohngerechtigkeit, die Stärkung sozialer ­Berufe, Entgeltersatzleistungen für pflegende Angehörige und die Erhöhung des Mindestlohns. Die Linke fordert femi­nistische Reformen wie die Streichung des Schwangerschaftsabbruchsparagrafen 218 und eine gerechte Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) plädiert für einen Mindestlohn von 15 Euro, den Ausbau hochwertiger Kinderbetreuung und ein höheres Pflegegeld. Die AfD hingegen vertritt ein traditionelles Familienbild, lehnt Gender-Mainstreaming ab und ­betont die Mutterrolle.

Gerechtigkeit in allen Lebensbereichen

ver.di hat bezüglich der Frauenpolitik umfassende Anforderungen an die Parteien: Um die Geschlechtergerechtigkeit in wirklich allen Lebensbereichen voranzutreiben, stehen dabei vier zentrale Schwerpunkte: den Gender Pay Gap schließen und die Teilhabe am Arbeitsmarkt verbessern, Erwerbs- und Sorgearbeit fair teilen, Altersarmut verhindern sowie Gesundheit und Gewaltschutz für Frauen stärken.

Um den Gender Pay Gap zu schließen, fordert ver.di unter anderem die vollständige Umsetzung der EU-Entgelttrans­parenzrichtlinie in nationales Recht, eine verbindliche Tarifbindung sowie die ­Umwandlung von Minijobs in sozialver­sicherungspflichtige Beschäftigung. Ein Mindestlohn von mindestens 15 Euro, existenzsichernde Vollzeit-Arbeitsplätze und die Abschaffung der Steuerklasse V zudem.

„Wir brauchen eine gerechtere Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit. Das heißt, auch Männer müssen mehr Verantwortung übernehmen”, erklärt Karin Schwendler, Leiterin des Bereichs Frauen- und Gleichstellungspolitik in ver.di. „Gleichzeitig brauchen wir politische ­Regelungen, die das möglich machen.” Eine gesetzliche Garantie für flexible ­Arbeitszeitmodelle sowie ein Rechts­anspruch auf Arbeitszeitreduktion mit Rückkehrrecht sollen daher die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Geschlechter erleichtern.

Im Kampf gegen Altersarmut setzt ver.di auf eine stabile gesetzliche Rente, die insbesondere Frauen, die aufgrund von Sorgearbeit unterbrochene Erwerbsbiografien aufweisen, eine auskömmliche Altersversorgung garantiert. „Altersarmut ist ein riesiges Problem, besonders für Frauen", erklärt Schwendler. „Wir fordern eine Stabilisierung und An­hebung des Rentenniveaus sowie eine bessere Absicherung für Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien. Außer­dem müssen Zeiten wie Mutterschutzfristen endlich auf die Grundrente angerechnet werden. Aktuell sind diese 14 Wochen nicht berücksichtigt, was oft dazu führt, dass Frauen wichtige Beitragszeiten fehlen.”

Für pflegende Angehörige fordert ver.di die Pflegezeitgesetz- und Familien­pflegezeitgesetz-Maßnahmen zu harmonisieren und zusammenzuführen. ­Dazu gehören die Einführung einer Entgelt-Ersatzleistung für bis zu sechs Monate, flexible Arbeitszeitregelungen und -orte sowie ein Rückkehrrecht und die Anrechnung auf die Rente.

Besonders dringlich ist auch der Schutz vor Gewalt und der Ausbau frauen­spezifischer Gesundheitsversorgung. ­Gewaltschutzambulanzen müssen bundesweit ausgebaut und die Rechte ­Betroffener gestärkt werden. Für eine geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung müssen Diagnostik und Behandlung stärker auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen ausgerichtet werden, einschließlich besserer Vorsorge und wohnortnaher Angebote für Schwangerschaftsabbrüche.

Für ver.di ist Frauenpolitik keine Nischenfrage, sondern ein zentraler Faktor für gesellschaftliche Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stabilität. Die Parteien müssen diesen Herausforderungen gerecht werden.