Ausgabe 01/2025
Tarifflucht beendet
Gegründet wurde die Servicegesellschaft Levare 2005 als Tochter des Klinikverbundes Diepholz, weil der Landkreis Geld sparen wollte. Die Beschäftigten, überwiegend Frauen, die Mehrheit in Teilzeit, erbringen wichtige und hochwertige Leistungen in Reinigung und Catering, in den Küchen und im Service sowie in der Physiotherapie. Ohne sie könnte der Krankenhausbetrieb nicht laufen. Die Stundenlöhne insbesondere im Bereich Küche, Service und Reinigung lagen jedoch bislang bei nur rund 13,50 Euro, also weit unter dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD). Jetzt hat der Kreistag einstimmig die Überführung der Levare Servicegesellschaft ins Klinikum Diepholz beschlossen und damit in den TVöD.
Stundenlöhne knapp über dem Mindestlohn, keine Anrechnung von Betriebszugehörigkeiten, drohende Altersarmut – die Beschäftigten der Levare wollten das nicht länger hinnehmen. "Im Klinikum Diepholz wurde für dieselbe Arbeit besser bezahlt als in der Servicegesellschaft", sagt Mitarbeiterin Biggi aus der Küche in Sulingen. "Ich habe fünf Kinder großgezogen und 100 Stunden Teilzeit im Monat gearbeitet. Doch das Geld reichte nicht, ich musste Wohngeld beantragen." Wie ihr erging es vielen: Arm trotz Arbeit.
Überzeugungsarbeit
Deshalb haben die Beschäftigten der Levare intensiv für die Rückkehr ins Klinikum und damit in den TVöD gekämpft. Anfangs hieß es noch, der Landkreis habe kein Geld. Die Beschäftigten argumentierten, wenn sie Wohngeld beziehen und ihre Renten nicht reichen, sei für den Landkreis aber nichts gewonnen. "Wir haben uns in ver.di zusammengeschlossen und in den letzten Monaten viele Gespräche mit den Kreistagsfraktionen geführt", berichtet Regina Dahnken, die in der OP-Reinigung des Klinikums arbeitet. "Beim Weihnachtsgeld, Stundenlöhnen und Zuschlägen hatten wir immer das Nachsehen. Da fühlte man sich schon wie Beschäftigte zweiter Klasse." "Anfangs dachten wir, da ändert sich nie was. Es ist so cool, dass wir das gemeinsam in Gang bekommen haben," sagt Biggi und freut sich darüber.
Die Verwaltung hat nun sechs Monate Zeit für die Umsetzung des Beschlusses. Ab 1. Juli 2025 erhalten die Servicekräfte nicht nur höhere Stundenlöhne nach Tarifvertrag, sondern werden zu den gleichen Arbeitsbedingungen beschäftigt, wie das übrige Klinikpersonal. "Damit beendet der Kreistag diese Tarifflucht und stellt sich eindeutig hinter die Aufwertung von unverzichtbarer Arbeit fürs Gemeinwohl", sagt Katharina Schmidt, die zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretärin.
Dass der Kreistag außerdem die Mittel für einen zusätzlichen Inflationsausgleich bereitstellt, ist ein weiterer Erfolg für die Beschäftigten. Bei Levare hatten sie – anders als das übrige Klinikpersonal – bisher nur die Hälfte der möglichen 3.000 Euro Inflationsausgleichsprämie erhalten. Kurz vor dem Jahreswechsel haben sie dann noch 1.000 Euro Inflationsausgleich pro Vollzeitstelle erhalten. Und künftig werden die Beschäftigten auch unter dem Schutz des Betriebsrats des Klinikums stehen, nachdem ihr eigener sich vor Jahren aufgelöst hatte.
Der klare Kreistagsbeschluss macht deutlich, dass es sich lohnt, sich gewerkschaftlich zusammenzuschließen. Mitarbeiter I.A., der ebenfalls in der Küche arbeitet, sagt: "Ich habe vier Kinder. Trotz Vollzeit hat mein Lohn nicht gereicht, als Alleinverdiener meine Familie zu ernähren. Es ist ungerecht, für dieselbe Arbeit weniger zu verdienen. Darum habe ich mich engagiert und geholfen, die Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen, dass wir uns gegenseitig unterstützen müssen. Ich habe ihnen gesagt, wir müssen mehr werden, um mehr zu erreichen. Das hat geklappt. Viele sind in ver.di eingetreten." Marion Lühring