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Erneuter Angriff auf die betriebliche Demokratie am Flughafen MünchenFoto: Rolf Poss/IMAGO

Mal wieder versucht ein Unternehmen am Flughafen München, Beschäftigte, die einen Betriebsrat gründen wollen, loszuwerden. Die MediCare GmbH hat Initiatoren einer Betriebsratswahl die fristlose Kündigung ausgesprochen, obwohl sie einen besonderen Kündigungsschutz haben. Einer der Initiatoren ist sogar ehrenamtlicher Schöffe am Amtsgericht und hat auch dadurch besonderen Schutz vor Kündigung.

Am 20. November 2024 wollten ein Dutzend Beschäftigte der MediCare-AirportClinic am Flughafen München in der Gaststätte Bräustüberl in Weihenstephan den Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl wählen. Eine Beschäftigte erläutert: "Von vielen Seiten war zu hören, wir brauchen einen Betriebsrat. Die Betriebsräte sollten unter anderem bei Arbeits- und Ruhezeiten mitbestimmen und durchsetzen, dass die Zuschläge aus Zusatzvereinbarungen gezahlt werden." Was dann folgte, damit habe sie nicht gerechnet.

Anfangs hatte die Geschäftsführung noch den Eindruck erweckt, die Gründung eines Betriebsrats zu unterstützen – sogar mit dem Angebot eines Shuttleservices zum Versammlungsort, sagt Christian Reischl von ver.di. Doch im Hintergrund zogen die Geschäftsführer andere Fäden: Am 19. November hat das Arbeitsgericht München ohne Anhörung der betroffenen Beschäftigten und im Sinne des Arbeitgebers die Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstands untersagt.

Feinde betrieblicher Demokratie

Die Geschäftsführung hatte argumentiert, durch den Drei-Schicht-Betrieb würden Beschäftigte benachteiligt und die Wahl zum Wahlvorstand müsse deshalb in Teilbetriebsversammlungen stattfinden. Zudem seien mehr als 100 Leute im Betrieb, weshalb ein vereinfachter Wahlvorgang nicht in Frage komme. Allerdings hatte die Geschäftsführung den Initiatoren bis zuletzt nicht die angeforderte Übersicht der wahlberechtigten Beschäftigten vorgelegt, aus der ersichtlich ist, wie viele Beschäftigte MediCare hat.

"Letztlich zeigen sich die beiden Geschäftsführer als Feinde der betrieblichen Demokratie", sagt Reischl. "Die Initiatoren für die Betriebsratsgründung haben nicht einmal die Möglichkeit bekommen, ihre Argumente vor Gericht einzubringen. Die erfahren nicht einmal den Termin und dann nur im Nachhinein, was beschlossen wurde." Das erbost den Gewerkschafter.

Am 26. November folgte dann der nächste Schritt: Die MediCare, verantwortlich für die medizinische Versorgung und betriebsärztlichen Dienste am Flughafen, kündigte drei Initiatoren fristlos. "Die Entscheidung sorgt für breite Kritik und droht das Ansehen des Flughafens München weiter zu belasten", sagt Christian Reischl. Nur einen Monat zuvor war bereits am Flughafen München eine engagierte Betriebsrätin und aussichtsreiche Kandidatin auf den Aufsichtsrat des Tochterunternehmens Eurotrade fristlos gekündigt worden. Die Dinge wiederholen sich.

Reischl vermutet, die Entlassungen bei MediCare stehen im Zusammenhang mit bekannt gewordenen Bemühungen des Arbeitgebers, einen anderen Wahlvorstand für die Gründung eines Betriebsrates zu wählen, der mit arbeitgebernahen Leuten besetzt ist, die der Geschäftsführung passen. Die gekündigten Initiatoren berufen sich auf den erweiterten Schutz für Betriebsratsinitiatoren. ver.di unterstützt ihre Mitglieder bei der Kündigungsschutzklage.

Leider sind Betriebsratsbehinderungen keine Seltenheit. "Hier in München gibt es sehr viele Beispiele, Betriebsräte zu behindern, bei vielen verschiedenen Trägern. Die meisten Versuche, Betriebsräte zu gründen scheitern. Schon im Vorfeld werden Beschäftigte schlechtgemacht, wird ihnen mit Kündigungen gedroht oder mit Abmahnungen", weiß Christian Reischl aus Erfahrung. Kündigungsschutzklagen enden fast immer damit, dass die Beschäftigten zwar Recht bekommen, aber mit einer Abfindung aus dem zerrütteten Arbeitsverhältnis gehen.

Nur selten gibt es Strafen

Bestraft werden die Unternehmen fast nie. Die Hans-Böckler-Stiftung (HBS)kam bereits 2018 zu dem Ergebnis, dass Unternehmer fast immer straffrei bleiben, wenn sie die Wahl oder die Arbeit von Betriebsräten hintertreiben. Auf mehr als 50 eingeleitete Ermittlungen aufgrund einer Strafanzeige kommt statistisch eine einzige Verurteilung. Die Sanktionsdrohung werde so zum "stumpfen Schwert". Für Gewerkschaften sei deshalb die Lösung: Schwerpunktstaatsanwaltschaften mit mehr arbeitsrechtlicher und betrieblicher Kompetenz. Diese müssen Arbeitgeber aufhalten, die betriebliche Mitbestimmung zu behindern. Link HBS: kurzlinks.de/2pjw

So sieht das auch Christian Reischl. "Wir brauchen vom Gesetzgeber mehr juristische Möglichkeiten, um gegen das Behindern von Betriebsräten und das Verhindern von Betriebsratswahlen vorgehen zu können. Dazu brauchen wir besondere Staatsanwaltschaften für solche Delikte und Juristen, die das begutachten können und personell so ausgestattet sind, dass sie solches Vorgehen der Arbeitgeber auch strafverfolgen können."

Letztendlich gehe es auch um das Vertrauen der Menschen in demokratische Institutionen, das durch solches Vorgehen geschädigt werde. "Einerseits erwartet man demokratische Beteiligung, aber diejenigen, die eine demokratische Mitbestimmung im Betrieb einführen und einen Betriebsrat gründen wollen, erfahren vom Gesetzgeber nicht genug Unterstützung. Bei MediCare geht es zudem nicht um einen Kleinbetrieb. Die Politik muss wollen, dass solche großen Unternehmen nicht mit ihrer Betriebsratsbehinderung durchkommen."

Mehr zu Betriebsräten bei ver.di:

kurzlinks.de/je2o

FAQs

1. Dürfen Arbeitgeber die Wahl eines Betriebsrats verbieten oder verhindern?

Nein. Wer die Wahl eines Betriebsrats behindert oder beeinflusst, die Tätigkeit des Betriebsrats stört, Kandidaten oder einzelne Mitglieder benachteiligt, bedroht oder begünstigt, dem droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe ( § 119, Betriebsverfassungsgesetz).

2. Sind Betriebsräte oder Initiatoren von Betriebsratswahlen vor Kündigung geschützt?

Ja. Betriebsräte, Mitglieder eines Wahlvorstands und Arbeitnehmer*innen, die die Einrichtung eines Betriebsrats vorbereiten und eine öffentlich beglaubigte Erklärung (Notar) mit dem Inhalt abgegeben haben, dass sie die Absicht haben, einen Betriebsrat zu errichten, genießen einen besonderen Kündigungsschutz (§ 15, Kündigungsschutzgesetz).

3. Sollten sich Initiatoren von Betriebsratswahlen trotzdem im Vorfeld absichern?

Unbedingt. Wer erstmalig im Betrieb eine Betriebsratswahl vorbereiten will, sollte dies gegenüber einem Notar erklären, um sich einen besonderen Kündigungsschutz zu sichern – dieser gilt längstens bis zu drei Monate bis zum Zeitpunkt der Einladung zur Betriebsratswahl (§ 15 Abs. 3b Kündigungsschutzgesetz). Zudem sollten Initiatoren der Betriebsratswahl ihre Gewerkschaft einbeziehen. Die gewerkschaftlichen Fachleute kennen die rechtlichen Grundlagen und wissen, was zu tun ist, wenn der Chef versucht, eine Wahl zu verhindern. ver.di unterstützt ihre Mitglieder nicht nur bei allen arbeitsrechtlichen Streitfällen, sondern Betriebsräte auch bei ihrer Arbeit und bietet Schulungen für sie an.