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Für Arbeitsmigrant*innen wird der Arbeitsschutz öfter nicht eingehaltenFoto: Steimke/picture alliance/dpa

Ähnliche Strukturen führen zu ähnlichen Problemen: Ob es um das Zerteilen von Fleisch geht, die Spargelernte in der Landwirtschaft oder das massenhafte Einsetzen von Subunternehmen in der Paketzustellung – wo Kernaufgaben ausgelagert werden, sieht es für den Arbeitsschutz meist nicht gut aus. In der Corona-Zeit hat besonders die Fleischindustrie für negative Schlagzeilen gesorgt, weil schlechte Arbeitsbedingungen zu Hot-Spots für Erkrankungen führten. Die Beschäftigten waren überlangen Arbeitszeiten ausgesetzt und oftmals in menschenunwürdigen Unterkünften untergebracht.

Der Gesetzgeber hat 2020 reagiert und das Arbeitsschutzkontrollgesetz eingeführt – zusätzlich zu den bereits vorhandenen Gesetzen zum Arbeitsschutz. Das neue Gesetz hat das Ziel, geordnete und sichere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie herzustellen, unter anderem mit dem Verbot von Fremdpersonal im Kerngeschäft – dazu gehören Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung.

Darüber hinaus legt das Gesetz bundesweit einheitliche Regeln zur Kontrolle der Betriebe und zur Unterbringung der Beschäftigten auch in anderen Branchen fest. Um den Arbeitsschutz branchenübergreifend besser einzuhalten, legt es unter anderem eine deutliche Steigerung bei den Betriebsbesichtigungen durch Aufsichtsbehörden fest, und behördliche Strukturen werden gestärkt.

Ernesto Klengel, Direktor des Hugo-Sinsheimer-Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung (HBS), erläutert in einem Podcast, warum das Arbeitsschutzkontrollgesetz trotz vorhandener Arbeitsschutzgesetze überhaupt notwendig wurde. Er betont, Recht haben und Recht bekommen seien "zwei ganz unterschiedliche Dinge". Das gilt insbesondere auch für das Arbeitsrecht. Denn: "Gerade in Deutschland ist es die Besonderheit, dass es auch auf die betriebliche Mitbestimmung ankommt, wenn es darum geht, ganz normale Arbeitsgesetze zu überwachen und für deren Einhaltung zu sorgen." Das Arbeitsschutzkontrollgesetz zielt darauf ab, den Arbeitsschutz zu verbessern. Dazu weist es ganz neue Mittel auf – wie etwa das Verbot von Werkverträgen.

Ein von der HBS in Auftrag gegebenes Gutachten zum Arbeitsschutz in der Fleischindustrie zeigt, dass die Einhaltung der Arbeitsgesetze immer dann auf der Kippe steht, wenn Arbeitsmigrant*innen ihre Rechte nicht kennen und keinen Betriebsrat haben, der sie unterstützt. Das ist aber auch in anderen Branchen, die Kerntätigkeiten auslagern, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, der Fall. Manfred Walser, Autor des Gutachtens und Professor für Arbeitsrecht und Wirtschaftsprivatrecht an der Hochschule Mainz, sagt: "Wir haben eine ähnliche Arbeitnehmerschaft in den Betrieben, sowohl in der Paketbranche als auch in der Fleischindustrie und auch der Landwirtschaft."

Weniger Arbeits- und Ruhezeitverstöße

Für ihr Gutachten haben die Autoren mit dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der HBS zusammengearbeitet, das Betriebsfallstudien lieferte. Die zeigen: In den letzten Jahren hat das Arbeitsschutzkontrollgesetz zu Verbesserungen in der Fleischindustrie geführt. Anneliese Kärcher, Dipl.-Juristin und Coautorin der Studie, bestätigt: "In diesem konkreten Beispiel war das Ergebnis, dass diese Arbeits- und Ruhezeitverstöße sehr stark zurückgegangen sind."

Das Gesetz wirkt also und es stärkt den Arbeitsschutz. "Das Mittel ist geeignet, die Strukturen zu durchbrechen und Kontrolle überhaupt möglich zu machen", zieht Walser Bilanz. Und das betreffe auch andere Branchen. Beispielsweise die großen Paketdienstleister, die ihre Pakete nicht oder nur teilweise mit eigenen Beschäftigten zustellen. "Dort haben wir genau dasselbe Problem mit unklaren Verantwortlichkeiten, verschleierten Zuständigkeiten und auch eine ganz schwierige Situation in der effektiven Durchsetzung von Arbeitsrecht und dementsprechend schlechten Arbeitsbedingungen. Viele Unfälle, sehr hohe Belastung, auch eine psychische Belastung durch eine Dauerüberwachung. Und da eignet sich dann eben so ein Mittel durchaus zur Übertragung."

Bislang aber ist ein Verbot von Werkverträgen nur für die Fleischindustrie festgelegt. Warum ein solches Verbot auch für Paketdienstleister und Speditionen eingeführt werden sollte, das erläutert Stephan Teuscher, Leiter der Tarif-, Beamten- und Sozialpolitik beim ver.di-Bundesfachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik: Von den großen Paketdienstleistern arbeite in Deutschland ausschließlich DHL mit eigenbeschäftigtem Auslieferungspersonal. Alle anderen Paketdienstleister arbeiteten auf der letzten Meile mit Subunternehmen, und dabei seien lange Nachunternehmerketten weit verbreitet. "Bei diesen Subunternehmen gibt es in der Regel weder Betriebsräte noch gilt der Kündigungsschutz und der Zoll stellt bei Kontrollen immer wieder fest, dass Subunternehmerketten oft gebildet werden, um Schwarzarbeit und Sozialabgabenbetrug im großen Umfang zu vertuschen." Besonders betroffen seien ausländische Beschäftigte, die ihre Rechte nicht kennen oder sich aus Angst vor dem Verlust ihres Aufenthaltsstatus nicht wehren. "Diesem Geschäftsmodell muss ein Riegel vorgeschoben werden."

Podcast der HBS: kurzlinks.de/lya1