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Masken zum Schutz der Identität – Protest am Internationalen Frauentag 2025 in YangonNurPhoto/imago

12.000 Gegner*innen verhaftet, mehr als 1.500 Menschen umgebracht – allein im ersten Jahr nach dem Sturz der Zivilregierung in Myanmar gehen diese Opfer auf das Konto des Militärs. Am 1. Februar 2025 jährte sich der Militärputsch in dem südostasiatischen Land zum vierten Mal. Seit vier Jahren überzieht das Militärregime das Land mit Gewalt und Unterdrückung. Insgesamt wurden laut Angabe der myanmarischen Menschenrechtsorganisation AAPP (Assistence Association for Political Prisoners) über 21.000 Menschen inhaftiert und rund 6.000 getötet. Doch der Widerstand gegen das unrechtmäßige Regime wächst zunehmend. Und an vorderster Front stehen von Anfang an streikende Beschäftigte und ihre Gewerkschaften.

Vorneweg die Frauen

Vor allem die Beschäftigten in der Textilindustrie – zumeist Frauen – stehen immer wieder an der Spitze der Bewegung des zivilen Ungehorsams. Sie riskieren ihr Leben und ihre Lebensgrundlagen für die Wiederherstellung der Demokratie, berichtet Khaing Zar, Präsidentin der Gewerkschaft der Industriebeschäftigten in Myanmar. Seit ein paar Jahren lebt sie im politischen Asyl in Deutschland. Wie viele andere Gewerkschafter*innen musste sie nach dem Putsch auswandern, um ihrer Verhaftung zu entgehen.

Auf ihrer persönlichen Webseite berichtete Khaing Zar zuletzt von einer Studie des Business & Human Rights Resource Centre. Bis Ende Oktober 2024 dokumentierte das Zentrum 665 Fälle von mutmaßlichen Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen seit der Machtübernahme durch das Militär. Die bisher erfassten betroffenen Beschäftigten arbeiten oder arbeiteten in 304 Fabriken, die für 187 namentlich genannte globale Modemarken und Einzelhändler produzieren oder früher produziert haben, darunter Inditex (u.a. Zara), H&M, Primark und Bestseller.

Lohndiebstahl, ungerechtfertigte Entlassungen, unmenschliche Arbeitsbedingungen und permanente Überstunden sind die am häufigsten registrierten Formen von Missbrauch. Aber auch Tötungen, willkürliche Verhaftungen, geschlechtsspezifische Gewalt, Angriffe auf die Vereinigungsfreiheit, Belästigung und Kinderarbeit sind in der Studie festgehalten. Khaing Zar sagt: "Die Fälle sind wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs, da die bürgerlichen Freiheiten und die Berichterstattung unter der Militärherrschaft stark eingeschränkt sind. Arbeitnehmer, die Missstände anprangern, müssen mit Repressalien rechnen."

Als Myanmar 2011 den Weg in die Demokratie ging, hatten die Gewerkschaften gehofft, auch die Arbeitswelt demokratisieren zu können. 2012 – nach 50 Jahren – durften sich Gewerkschaften erstmals wieder gründen, 2013 wurde ein Mindestlohn eingeführt. Doch schon unter Aung San Suu Kyi, die wie kein zweites Gesicht über viele Jahre für die Demokratiebewegung in Myanmar stand, wurden Gewerkschaftsgründungen ab 2016 wieder erschwert, die Anpassung des Mindestlohns wiederholt ausgesetzt.

Ihren Kampf für eine gerechte Arbeitswelt und gerechte Löhne haben die Gewerkschaften dennoch nie aufgegeben, auch nicht unter dem Militärregime. Im Februar 2021 gingen – wieder allen voran die Textilarbeiter*innen – in der Wirtschaftsmetropole Yangon in Massen auf die Straße. Die Proteste weiteten sich zu einem Generalstreik aus, in dessen Zuge sich insgesamt rund 400.000 Beschäftigte bis zum Jahresende beteiligten: Staatsbedienstete, Lehrkräfte, Lkw-Fahrer, Bergleute und auch Bankangestellte. Schon Ende Februar 2021 waren bereits 16 der wichtigsten Gewerkschaften verboten wurden, Mitte März 2021 wurden in Yangon zudem mindestens 65 Streikende von der Junta umgebracht.

Erfolgreich gegen die Junta

Bis heute halten Unterdrückung und Gewalt die Beschäftigten in verschiedenen Branchen nicht davon ab, für ihre Rechte und bessere Bedingungen zu streiken. So wie am 13. August 2024 erneut in Yangon. 2.800 Beschäftigte einer Fabrik für Sportartikel gingen in einen unbefristeten Streik. Mit Erfolg. Am Ende kam ihnen die Geschäftsführung des Unternehmens mit Hauptsitz in Taiwan mit Lohnerhöhungen, Urlaub an Feiertagen und zehn weiteren Forderungen entgegen.

Vieles spricht dafür, dass das Militär für Auseinandersetzungen mit streikenden Beschäftigten kaum noch Kräfte aufbieten kann. Das Regime ist zunehmend durch politische Rebellengruppen im Untergrund bedroht, die sich immer wieder Kämpfe mit der Junta liefern und inzwischen große Teile des Landes unter ihrer Kontrolle haben.

Anfang März 2025 gab die Militärjunta bekannt, dass spätestens im kommenden Jahr wieder Wahlen in Myanmar stattfinden sollen. Nyein Chan May, Geschäftsführerin des German Solidarity Myanmar e.V. in Deutschland, sieht in der Ankündigung erneut nur einen Winkelzug. "Seit dem Putsch im Jahr 2021 hat die Militärjunta kontinuierlich versucht, sich und ihre illegale Machtübernahme zu legitimieren. Sie ist sich bewusst, dass ihr dies nur durch Scheinwahlen gelingen kann", sagt sie. Diese Wahlen erfüllten aber in keiner Weise die Kriterien einer demokratischen, fairen und freien Wahl.

Nach wie vor gebe es keine Versammlungsfreiheit für die politische Opposition, die stärkste Oppositionskraft, die Nationale Liga für Demokratie (NLD), werde brutal unterdrückt. Zudem sei die Junta nicht in der Lage, Wahlen landesweit durchzuführen, da sie eben längst nicht mehr die territoriale Kontrolle über Myanmar besäße. Für Nyein Chan May ist klar: "Es handelt sich um ein Täuschungsmanöver, das nicht nur darauf abzielt, den Widerstand im Inland einzudämmen, sondern vielmehr darum, die eigene Macht auf internationaler Ebene zu legitimieren."

Doch daraus dürfte nichts werden. Der derzeitige EU-Botschafter Ranieri Sabatucci bestätigte bereits am 17. Februar 2025 in einer Sitzung des Unterausschusses für Menschenrechte im Europäischen Parlament, dass die Europäische Union die von der Militärjunta geplanten Scheinwahlen in Myanmar nicht anerkennen werde.