Ausgabe 03/2025
Aus dem ver.di-Werkzeugkoffer

Was können Mitglieder tun, um in ihrem Betrieb aktiv zu werden? Wie gewinnt man weitere Mitglieder, um mehr durchzusetzen? Wir stellen verschiedene „Werkzeuge“ vor, die in gewerkschaftlicher Arbeit und Auseinandersetzungen erfolgreich eingesetzt werden. Dieses Mal erzählt BVG-Straßenbahnfahrer Manuel von Stubenrauch, auch „Stubi“ genannt, Vertrauensleute-Sprecher und Mitglied der Tarifkommission von seinen Erfahrungen mit Rückkoppelungen.
Rückkoppelung ist ein neues Werkzeug, das ihr in der diesjährigen BVG-Tarifrunde benutzt habt. Was verbirgt sich dahinter?
Wir haben nach jeder Verhandlungsrunde unsere Beschäftigten befragt – also rückgekoppelt –, was sie von dem jeweiligen Zwischenstand halten und welche Schritte die nächsten sein sollten. Also entweder: Wollen wir das Angebot annehmen oder wollen wir mehr Druck durch Streiks aufbauen? Das Befragungsergebnis haben wir zurück an die Verhandlungskommission gegeben, und die wusste dann, dass da draußen 9.500 Leute sind, die für Streik gestimmt haben. Das hat unsere Stärke ausgemacht, dadurch konnten wir gut Druck aufbauen beim Arbeitgeber.
Wie genau lief das mit den Befragungen?
Als erstes haben wir Hofverantwortliche rekrutiert. Denn mit all unseren Beschäftigten zu sprechen, ist nicht immer einfach – gerade im Fahrdienst. Die sind im Bus, in der U-Bahn, in der Straßenbahn. Aber auf den Hof kommen sie alle irgendwann – in den Wendeschleifen und an den Ablöse-Punkten. Da sind also die Hofverantwortlichen mit den Infos aus der Tarifkommission hingegangen – insgesamt waren es etwa 300 – und haben die Beschäftigten über die Verhandlungsergebnisse informiert und befragt und Strichlisten geführt.
Ihr habt über den ganzen Tag verteilt die Leute befragt?
Genau. Ich habe beispielsweise meistens den Frühablauf gemacht. Da konnte ich morgens von 3 bis um 7 Uhr so 70 Leute erfragen, die zum Dienst gekommen sind. Ein anderer hat das dann abends gemacht, wenn die Leute wieder auf den Hof kamen. Und andere standen in den Warte- und Endschleifen und haben die Beschäftigten gefragt, wenn sie ihre Pause gemacht haben. Anfänglich hat das fünf bis sechs Tage gebraucht, um die fast 10.000 Menschen zu befragen. Zum Schluss hat das so gut funktioniert, weil alle das System kannten und teilweise schon selbst die Hofverantwortlichen gesucht haben, bei denen sie ihre Stimme abgeben wollten, so dass wir das sogar in zweieinhalb Tagen geschafft haben.
Ihr habt alle befragt, nicht nur ver.di-Mitglieder?
Genau, wir wollten ja alle Beschäftigten mitnehmen. Dementsprechend waren bei den Streiks auch viele, die gar nicht in ver.di organisiert waren. Beziehungsweise erstmal nicht – denn wir haben durch diese Aktionen fast 2.000 neue Mitglieder gewonnen.
2.000 neue Mitglieder? Wow!
Ja, weil wir mit den Menschen gesprochen haben – wir sind wirklich in jede Ecke des Betriebes gegangen – und weil sie gesehen haben, ver.di macht richtig was und ihre Stimme zählt. Das hat bei den Leuten Vertrauen aufgebaut. Das war eine total spannende und offene Tarifrunde, weil wir jeden mitgenommen haben.
Information und Transparenz waren die Schlüssel zum Erfolg?
Genau, alles war viel nachvollziehbarer. Früher gab es immer so ein Infoblatt mit einem Text über das Verhandlungsergebnis, wo man vielleicht die Hälfte nicht verstanden hat. Und Fragen blieben offen. Aber jetzt steht am Ende ein Ergebnis, dass alle mitbegleitet und auch verstanden haben. Also warum das jetzt so ist und vielleicht nicht noch mehr rausgekommen ist.
Und was ich auch besonders gut fand: Du hast deine Arbeitskollegen und Kolleginnen besser kennengelernt, weil du ständig in diesen Gesprächen warst – gerade im Fahrdienst ist das ja manchmal total schwierig. Du hast auch andere Bereiche kennengelernt, also die Menschen, die dahinterstecken. Das hat richtig zusammengeschweißt.
Hast du einen Tipp für Leute aus anderen Betrieben?
Man muss die Gewerkschaft, glaube ich, neu erfinden. Also, wir haben ja nicht nur dieses hochverantwortliche System eingeführt, wir haben auch anders kommuniziert. Wir haben viele persönliche Ansprachen gemacht, aber auch ganz viele Videos gedreht, die wir in der WhatsApp-Infogruppe verschickt haben. Da waren bei uns 6.000 Leute drin. Da haben wir auch unsere Aufrufe zu Streik und Demos reingestellt. Und ich habe auch einen Podcast gemacht. Diese andere Art von Ansprache hat die Menschen abgeholt.
ver.di bietet dieses und anderes „Gewerkschaftswerkzeug“ in Schulungen an. Einen tieferen Einblick und Materialien findest du auf der Seite des Projektes Zukunft der Mitgliedergewinnung unter zdm-werkzeuge.verdi.de