Ausgabe 04/2025
Tierische Solidarität: Zoo-Beschäftigte aus Deutschland und Österreich vereint für bessere Bedingungen

"Was hier falsch beschriftet ist, und wo ich meine Kollegen wirklich zur Ordnung rufen muss", sagt Thomas Wampula leicht empört, "da steht Mais". "Das ist in Österreich der Plural von Maus. Bei uns heißt das Gugaruz!", so der Leiter der Abteilung Gärten und Grünraum im Tiergarten Schönbrunn weiter. Wampula – graue Haare, grauer Bart – trägt ein großes Poloshirt, eine braune Cargo-Hose und Arbeitsstiefel. Mit einer gehörigen Portion "Schmäh" stellt er der angereisten Gruppe deutscher Gewerkschafter*innen von ver.di-tierisch aktiv den Lehrlingsgarten des Zoos vor.
Hier wachsen Pflanzen und Bäume, um angehenden Tierpfleger*innen Naturvielfalt nahezubringen. "Schmäh" ist grob überrissen auch eine Mischung aus Charme, Leid und Witz. Wampula sagt Dinge wie "es gibt nichts Unspannenderes als Säugetiere" und gewinnt dadurch schnell die Herzen der Betriebsrätinnen fünf deutscher Zoos.
Gemeinsamkeiten statt Unterschiede
Es soll jedoch mehr um die Gemeinsamkeiten als um die Unterschiede gehen. Ziel des Besuchs ist es, zu verstehen, wie Gewerkschaftsarbeit dies- und jenseits der Grenze funktioniert. Horst Traunmüller ist Regionalsekretär bei der Gewerkschaft GPA. "Wir wollen von ver.di etwas lernen", sagt der 41-Jährige. "Wir haben in Österreich viele Zoos, aber nur wenig Organisation." Der Tiergarten Schönbrunn ist ein Aushängeschild der GPA, doch in den anderen acht Bundesländern tut sich die Gewerkschaft noch schwer – auch wegen der Strukturen allgemein. "98 Prozent der Berufe sind von Kollektivverträgen, KVs abgedeckt", erklärt Traunmüller. Diese gelten für alle Beschäftigten, sodass die Anreize für eine Gewerkschaftsmitgliedschaft geringer sind als in Deutschland.
Die KVs entsprechen den deutschen Tarifverträgen. Grund dafür ist eine beispielhafte Sozialpartnerschaft: Nach Kriegsende 1945 einigten sich Christ- und Sozialdemokraten sowie Kommunisten und gründeten den Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Dieser hat heute rund 1,2 Millionen Mitglieder in neun Fachgewerkschaften, darunter die GPA mit etwa 290.000 Mitgliedern.
Ein weiteres Standbein für Beschäftigte ist die Arbeiterkammer (AK), die politisch und praktisch berät – von Rechtsfragen über Steuerhilfe bis Weiterbildung. Arbeitgeber sind in der Wirtschaftskammer (WKO) organisiert. "Es ist ein bisserl absurd", sagt GPA-Mann Traunmüller, "aber ich bin froh, dass es die WKO gibt." Denn sie verpflichtet ihre Mitglieder zur Tarifbindung – was die hohe Dichte an Kollektivverträgen erklärt.
Ein Anruf aus Wien
Als vor einigen Jahren ein neuer Direktor aus Deutschland die Leitung des Tiergartens Schönbrunn übernahm, zögerte Traunmüller nicht lange und nahm den Hörer in die Hand. "Den Namen Hagenbeck kennt man. Ich wollte wissen, welche Erfahrungen man mit ihm hat." Am anderen Ende der Leitung war Ralf Nix, der als ver.di-Bundesfachgruppenleiter unter anderem für die Zoo-Beschäftigten zuständig ist. Aufgrund vorausgegangener Arbeitskämpfe und Tarifverhandlungen im Hamburger Tierpark Hagenbeck konnte Nix dem österreichischen Kollegen einige Informationen geben.
Seitdem stehen die beiden Funktionäre in regem Austausch und trafen sich nun erstmals persönlich in Wien. Mit "tierisch aktiv" hat ver.di den GPA-Kollegen vor allem eine überregionale Vernetzung voraus. "Die Leute sind auf mich zugekommen und meinten, dass sie in ver.di ihren Platz nicht finden", sagt Nix rückblickend. Er fuhr die Zoos ab und koordinierte das Netzwerk, das nächstes Jahr bereits sein Zehnjähriges feiert.
" Wir wollen von ver.di etwas lernen. Wir haben in Österreich viele Zoos, aber nur wenig Organisation." Horst Traunmüller
Nach dem Theorieteil am Vortag, in dem sich die österreichischen Kolleg*innen für das ver.di-Mitmachkonzept der Tarifbotschafter*innen, die Beteiligung und Aktivierung vieler Mitglieder, begeisterten, steht nun der Zoobesuch an. Mit dabei sind Betriebs- und Personalrätinnen aus Bremerhaven, Hannover, Frankfurt am Main, Saarbrücken und Nürnberg. Unter ihnen sind auch bekannte Gesichter wie Katja Seedorf. Die Bremerhavenerin begleitete ver.di publik schon einmal zur Otterfütterung und ins Waschbär-Gehege (publik.verdi.de/ausgabe-202203/neu-zusammengerauft).
Auch andere Teilnehmerinnen genießen einen gewissen Ruhm. "Mich hat einmal ein Mädchen mit Vornamen gegrüßt", sagt Sylvia Nietfeld aus Hannover. "Ich musste nachdenken, woher ich sie kenne, aber ich kam nicht drauf." Das konnte sie auch nicht, denn nur das Mädchen kannte Nietfeld. Aus dem Fernsehen. Durch zahlreiche Zoo-Dokumentationen sind die Gewerkschafterinnen in Dauerschleife in irgendeinem Fernsehprogramm zu sehen. Das hat nicht nur Vorteile. "Auf der Straße sprechen mich so oft Leute auf 'Seehund, Puma und Co' an, dass es meinen Mann schon nervt", fügt Katja Seefeld lachend hinzu.
Abgesehen von ihrer Bekanntheit eint die Tierpflegerinnen vor allem die Begeisterung für ihren Beruf. Katja Seedorf erzählt, dass sie früher "Familienurlaube danach plante, welche Tierparks wir besuchen können". Damit ist jetzt Schluss. "Irgendwann haben meine Kinder gestreikt."
Tierliebe wird ausgenutzt
Die ver.di-Delegation schaut sich an jedem Gehege an, was man sich als Inspiration für zu Hause mitnehmen kann. Eifrige Debatten über Futtermittel und Pflege nehmen dabei weitaus mehr Raum ein als jene über Tarifverträge.
Die Tiere geben etwas zurück, das mit Geld nicht aufzuwiegen ist. Doch das wird ausgenutzt. "Etwa 2.600 Euro netto" verdient eine der Frauen nach fast vier Jahrzehnten monatlich, inklusive Weihnachtsgeld also 34.000 Euro im Jahr. Auch die österreichischen Kollegen werden mit ihrer Arbeit nicht reich. Ein Tierpfleger, der seit 12 Jahren in Schönbrunn arbeitet, verdient 2.200 Euro netto im Monat. Allerdings gibt es in Österreich standardmäßig 14 Gehälter. Mit 31.000 Euro liegt man damit jedoch weit hinter dem Durchschnittsgehalt von 41.000 Euro, das der "Gehaltsreport 2025" des Stellenportals "Stepstone" für Österreich ermittelt hat.
Eine weitere Herausforderung ist der Personalmangel, der nicht nur an fehlenden Fachkräften liegt. "Früher war in den kalten Monaten wegen Schnee und Frost mehr Zeit, um Überstunden abzubauen und sich um liegengebliebene Sachen zu kümmern. Auch die Bauarbeiten ruhten", sagt Sylvia Nietfeld. "Aber seitdem die Winter so mild sind, wird durchgehend gebaut und das Arbeitspensum ist gleich hoch wie im Sommer." Das kann an einem Sonntag im Dezember zu hohen Besucherzahlen führen, bedeutet aber nicht automatisch eine höhere Personaldecke.
Sonja Hildebrand aus Frankfurt verweist auf die Folgen ihrer Arbeit. "Durch das viele Kriechen und Tragen habe ich starke Knieprobleme bekommen. Aber wir haben auch Fälle von Burnout wegen der großen Arbeitslast."
Auch in Schönbrunn merken sie, dass es ohne ausreichend Personal nicht rund läuft. Zwar führen die Pfleger im Elefantenhaus die Fütterung routiniert durch, doch müssen sie stets hochkonzentriert sein. 2005 tötete ein Elefantenbulle einen Pfleger. Nahezu alle in der Runde können von ähnlichen Vorfällen berichten – auch Mangels Personal. Inzwischen gehen die Pfleger in Schönbrunn nicht mehr zu den Tieren ins Gehege.
Tierpflege bedeutet eben nicht nur, Ställe auszumisten, zu füttern und zu streicheln. Die Gefahr von Arbeitsunfällen ist hoch. Der Kampf um sichere Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung bleibt daher ein Kernanliegen. Zu wissen, dass auch anderswo Beschäftigte dafür einstehen, gibt Österreichern wie Deutschen Rückenwind. Dass manche den Gugaruz fälschlicherweise Mais nennen – es ist herzlich egal.
Die drei wichtigsten FAQ
Was sind zentrale Unterschiede in der gewerkschaftlichen Struktur zwischen Deutschland und Österreich? In Österreich sind fast alle Berufe durch Kollektivverträge abgedeckt, was die Notwendigkeit zur aktiven Gewerkschaftsmitgliedschaft verringert. In Deutschland hingegen sind Tarifverträge nicht flächendeckend bindend, weshalb ver.di verstärkt auf Mitgliederbeteiligung und -aktivierung setzt.
Welche Herausforderungen erleben Tierpfleger*innen in ihrem Berufsalltag? Neben körperlicher Belastung und Verletzungsgefahr kämpfen viele mit Personalmangel, vergleichsweise niedrigen Löhnen und psychischer Belastung. Trotz der Leidenschaft für Tiere sind faire Arbeitsbedingungen und sichere Strukturen essenziell.
Welche Rolle spielt die persönliche Vernetzung der Tierpfleger*innen über Landesgrenzen hinweg? Die Vernetzung – etwa durch das ver.di-Netzwerk "tierisch aktiv" – ermöglicht einen kontinuierlichen Austausch über Arbeitsbedingungen, Sicherheitsstandards und gewerkschaftliche Strategien. Dieser persönliche Kontakt stärkt das Bewusstsein für gemeinsame Herausforderungen und erleichtert solidarisches Handeln über Ländergrenzen hinweg.