Ausgabe 04/2025
In den Pausen zwischen den Bomben
Von dem Hotelkomplex, in dem ich diesen Text zu schreiben begann, bis zur Grenze zu Belarus sind es etwas mehr als 60 Kilometer. Angesichts der Beteiligung Belarus' am Krieg gegen die Ukraine sollte diese Tatsache einen gewissen Einfluss auf die Besucherzahlen hier haben. Aber dem scheint nicht so zu sein. Die guten Bewertungen des Services und die idyllische Lage (tief in einem wunderschönen Wald in der Nähe eines Sees, aber gleichzeitig nicht weit von der Autobahn entfernt, die Kyjiw und das polnische Chełm verbindet) sorgen dafür, dass Besucher aus verschiedenen Teilen der Ukraine hierherkommen.

Ich habe in diesem Hotel nicht Urlaub gemacht, sondern an einer polnisch-ukrainischen Sommerschule unterrichtet. Allerdings hatte ich außerhalb der Vorlesungen auch die Möglichkeit, durch den wunderschönen Wald oder am See spazieren zu gehen, sodass ich, wie fast alle 30 Teilnehmer, Lehrer und Organisatoren der Schule, in die Kategorie des Eventtourismus eingeordnet werden kann. Gerade dieser hat die Tourismusbranche in der Ukraine nach dem Beginn des groß angelegten Krieges über Wasser gehalten, insbesondere in den Städten, die früher beträchtliche Einnahmen aus dem Tourismus bezogen (wie beispielsweise Lwiw) und wohin Touristen nicht mehr in derselben Zahl wie vor dem Krieg und der Pandemie reisen.
Auf der Suche nach Schlaf und Ruhe
Während in den ersten beiden Jahren des russischen Angriffskrieges viele Ukrainer auf Sommerurlaub ganz verzichteten, gab es in den Jahren 2024/2025 eine Nachfrage nach Erholung und Entspannung. Darauf wies kürzlich die Leiterin der Staatlichen Agentur für Tourismusentwicklung der Ukraine, Natalia Tabaka, bei einer Pressekonferenz hin: "Die Menschen haben das Bedürfnis, diesen Wunsch nach Erholung und Entspannung zu verwirklichen. Und sie wählen eher sinnvolle Aktivitäten, die der Erholung für den Kopf und der Gesundheit und der körperlichen Verfassung dienen."
Tatsächlich ist Schlaf nach den täglichen nächtlichen Beschüssen eines der kostbarsten Güter für die Ukrainer. Innerhalb der Ukraine gibt es noch immer natürliche Oasen, in denen man einfach ausschlafen und neue Energie tanken kann. Dazu gehören beispielsweise die Karpaten im Westen oder die Naturwunder von Podolien (eine Region im Südwesten der Ukraine).
Nach den jüngsten schrecklichen Angriffen auf Städte im Westen der Ukraine ist das Gefühl der Sicherheit in der Ukraine jedoch noch relativer geworden. Deshalb suchen die Menschen auch nach Möglichkeiten, im Sommer eine Woche im Ausland zu verbringen. In der Regel handelt es sich dabei um einen Urlaub am Meer in der Türkei oder Bulgarien. Der Urlaub am Meer im Sommer ist einer der beliebtesten für die Ukrainer, daher fahren sie auch trotz der Sicherheitsprobleme, wenn es nicht möglich ist, ins Ausland zu reisen, an die Schwarzmeerküste in der Ukraine. So wurden in Odesa bereits 11 Strände eröffnet.
Viele Ukrainer haben zudem nur sehr begrenzte Zeit für Urlaub, insbesondere wenn jemand in der Familie bei den Streitkräften ist. Natürlich kann man auch eine Auslandsreise planen (Militärs haben das Recht auf einen kurzfristigen Auslandsaufenthalt mit Zustimmung der Führung), aber es gibt nie eine Garantie, dass dieser Plan nicht durch die Situation an der Front zunichte gemacht wird. Deshalb entscheiden sich viele doch dafür, ihren Urlaub in der Ukraine zu verbringen. Trotz der fast 20 Prozent besetzten Gebiete verfügt die Ukraine über zahlreiche natürliche Reichtümer, sodass manche, wie ich in diesem Sommer, während ihres Urlaubs in den Pausen zwischen den Bombardierungen neue malerische Ecken des Landes für sich entdecken.
Olha Vorozhbyt ist stellvertretende Chef- Redakteurin des ukrainischen Nachrichtenmagazins Ukrajinskyi Tyschden. Seit der Ausgabe 03_2022 schreibt sie regelmäßig für uns ein Update aus der Arbeitswelt in der Ukraine.