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Sie wollen kein Nein mehr hören: 78 Prozent der Beschäftigten stimmten für den ErzwingungsstreikFoto: Marc Wehlings

Ob bei Hitze oder Kälte, bei Tag oder Nacht: Rund um die Uhr – 365 Tage im Jahr – sorgen die Beschäftigten am DHL-Drehkreuz am Flughafen Leipzig/Halle dafür, dass die Frachtflugzeuge so schnell wie möglich entladen werden und neu beladen wieder starten können. "Das ist richtig harte Arbeit", sagt Daniel Mühlbach, der als Ramp Agent im Nachtdienst für DHL Hub Leipzig arbeitet. "Für wenig Geld." Eine Aufwertung ihrer Arbeit sei längst überfällig.

Deshalb ging ver.di mit einer Forderung von 12 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von einem Jahr in die Tarifrunde mit der DHL Hub Leipzig GmbH. Mehrtägige Warnstreiks waren notwendig, um die Arbeitgeber überhaupt zu einem Angebot zu bewegen: Sie boten nach der dritten Verhandlungsrunde 9 Prozent bei einer Laufzeit von 26 Monaten. Zu wenig, befanden die Beschäftigten.

"Für sie kommt die Wertschätzung nicht ausreichend rüber", sagte der zuständige ver.di-Sekretär Tobias Kraushaar. Doch der Arbeitgeber weigerte sich zunächst, in eine vierte Verhandlungsrunde zu gehen. Deshalb sprach sich bei einer Urabstimmung die Mehrheit für einen Erzwingungsstreik aus. "Die Leute sind zu Recht sauer", fand der Gewerkschafter. Über das jetzt deutlich verbesserte Arbeitgeberangebot von über 11 Prozent mehr Geld in zwei Stufen (5,6 Prozent ab 1.7.2025 und 5,4 Prozent ab 1.7.2026) in der vierten Verhandlungsrunde stimmen nun die ver.di-Mitglieder im Betrieb in einer zweiten Urabstimmung ab. Die Verhandlungskommission empfiehlt einstimmig die Annahme.

"Nach der Schicht ist dein Körper völlig kaputt"

An Europas größtem Frachtdrehkreuz sind 6.000 Beschäftigte im Einsatz, viele davon im Nachtdienst. Wenn ein Flugzeug landet, ziehen sie zu dritt oder viert per Hand die wuchtigen Container heraus, schleppen schwere Pakete, stapeln und sortieren die Fracht für den Weitertransport. "Nach der Schicht ist dein Körper völlig kaputt", berichtet Daniel Mühlbach. Hinzu kommt der ständige Zeitdruck. Bis zu 70 Flugzeuge starten und landen pro Tag am Standort. Unter enormem Tempo muss die Fracht verladen werden, damit die Maschinen wieder losfliegen können. "Wir stehen ständig unter Stress", betont der 46-Jährige. Doch der Verdienst reicht vorne und hinten nicht.

"Viele haben die Nase voll", sagt der Ramp Agent. "Sie wollen einfach mehr Wertschätzung." Vor allem ärgern sich die Beschäftigten darüber, dass anderswo deutlich mehr Geld bezahlt wird. Bis zu 500 Euro mehr erhalte zum Beispiel das Personal für vergleichbare Tätigkeiten ein paar Meter weiter am Flughafen Halle/Leipzig, so Tobias Kraushaar von ver.di. "Da besteht dringend Nachholbedarf." Zumal DHL zugleich Milliardengewinne mache.

Zum Start der Tarifverhandlungen legte der Arbeitgeber gar kein Angebot vor. Daraufhin startete ver.di im Betrieb eine Befragung: Wie soll es weitergehen? Erst einmal abwarten oder mit einem Streik ein Zeichen setzen? Die große Mehrheit sprach sich für einen Arbeitskampf aus. "Und sie haben dort nicht nur ihr Kreuz gesetzt", sagt Tobias Kraushaar von ver.di, "sondern es auch ernst gemeint." Beim ersten Warnstreik am 23. Mai beteiligten sich über 1.000 Menschen.

In der zweiten Verhandlungsrunde gab es wieder kein Angebot, also fragte ver.di erneut bei den Beschäftigten: Und jetzt? Diesmal beschlossen die Beschäftigten vom 4. bis zum 5. Juni zu streiken, 35 Stunden lang. Insgesamt nahmen 2.400 Beschäftigte ihr Streikrecht wahr. "Da gab es den ein oder anderen Gänsehautmoment", so der Streikleiter.

Die Flugzeuge wurden nach der Landung nicht ausgeladen, blieben am Boden stehen, Pakete wurden nicht ausgeliefert. "Die Auswirkungen waren deutlich zu sehen." Eine Notdienstvereinbarung regelte Ausnahmen für lebenswichtige Medikamente, Blutkonserven und Organtransporte.

In der Tarifauseinandersetzung traten mehrere hundert Beschäftigte bei ver.di ein, berichtet der Gewerkschafter. Zudem sind viele neue Vertrauensleute sehr aktiv. Die Beschäftigten waren mit Herzblut in der Tarifrunde dabei.

Auch Daniel Mühlbach lobt die tolle Stimmung in der Belegschaft: "Wir sind als Team echt zusammengewachsen – und haben gezeigt, dass wir da sind."

Hinweis zur Transparenz: Dieser Bericht wurde nach Redaktionsschluss aktualisiert.

Die wichtigsten FAQ zum Arbeitskampf bei der DHL am Flughafen Leipzig/Halle

Wofür haben die Beschäftigten am DHL-Frachtdrehkreuz in Leipzig/Halle gestreikt?

Die Beschäftigten haben mehr Wertschätzung und eine faire Lohnerhöhung gefordert, da ihre Arbeit bei extremen Bedingungen und hohem Tempo oft nicht ausreichend anerkannt wird. Sie haben 12 Prozent mehr Lohn gefordert, während das Angebot der Arbeitgeber nur 9 Prozent bei längerer Laufzeit betrug. Zudem haben sich die Beschäftigten über die Gehaltsunterschiede im Vergleich zu anderen Standorten angesichts der Milliardengewinne von DHL geärgert.

Wie haben die Beschäftigten auf die Verweigerungshaltung des Arbeitgebers reagiert?

Nach mehreren erfolglosen Verhandlungsrunden und keinem ausreichendem Angebot seitens des Arbeitgebers hatten die Beschäftigten in einer Urabstimmung für einen Erzwingungsstreik gestimmt. Zuvor fanden bereits mehrere Warnstreiks statt, bei denen Tausende von Mitarbeitern beteiligt waren, um ein Zeichen für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne zu setzen.

Welche Auswirkungen hatten die Streiks auf den Betrieb bei DHL in Leipzig/Halle?

Die Streiks führten dazu, dass Flugzeuge nach der Landung nicht ausgeladen wurden, Pakete nicht ausgeliefert werden konnten und der Betrieb zum Stillstand kam. Es gab aber auch Ausnahmen für lebenswichtige Transporte wie Medikamente und Blutkonserven, um die Versorgung sicherzustellen. Die Streiks zeigten deutlich die Bedeutung der Arbeit der Beschäftigten und bekräftigten ihre Forderungen nach mehr Wertschätzung.