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Kay HinnigerFoto: privat

Als in Leipzig am 27. März, wie fast überall in Deutschland, beim Öffentlichen Nahverkehr nichts mehr ging, erlebten Anja Degen und Kay Hinniger erstmals in ihrem Berufsleben einen großen Streik. Schon in der Zeit der Vorbereitung der Tarifrunde 2023 haben die Beiden Verantwortung übernommen – in der bezirklichen Arbeitskampfleitung.

"In meinem Betrieb, den Leipziger Verkehrsbetrieben, suche ich seit Oktober 2022 das persönliche Gespräch mit meinen Kolleginnen und Kollegen, ich erkläre die Ziele für die Tarifverhandlungen und die Möglichkeiten, die wir haben, das auch zu erreichen." Anja war dabei, als im Oktober an den Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung, SPD, 1.300 Unterschriften der Beschäftigten übergeben wurden. Damit kündigten sie ihre Vorstellungen um neue tarifliche Regelungen an. Seit dieser Zeit engagieren sich Anja Degen und Kay Hinniger für die Öffentlichkeitsarbeit und stellen sich den Fragen der Presse rund um die Tarifauseinandersetzungen.

Reallohnausgleich gefordert

In den vergangenen Monaten hat sich einiges für die Kolleg*innen bei den Leipziger Verkehrsbetrieben geändert. ver.di ist präsenter im Betrieb, der zuständige Fachbereichsleiter Paul Schmidt unterstützt die Streikberatungen auf den einzelnen Betriebshöfen. "Wir lernen schnell und ganz konkret, was zu tun ist, wir haben ein Orga-Team gebildet, Pläne zur Streikvorbereitung entwickelt, Streikposten benannt", beschreibt Kay Hinniger die letzten Wochen.

Der 25-Jährige ist Bus- und Straßenbahnfahrer. Seine Ausbildung zur Fachkraft für den Fahrbetrieb absolvierte er in Erfurt. Als er vor zwei Jahren in seine Heimatstadt Leipzig zurückkam und bei den dortigen Verkehrsbetrieben anfing, staunte er nicht schlecht, wie unterschiedlich in Thüringen und Sachsen die Entlohnung ist. In Leipzig hatte er bis zu 300 Euro monatlich weniger, stellte er fest. "Die Lücke gilt es zu schließen und unbedingt muss der inflationsbedingte Reallohnverlust ausgeglichen werden. Die ver.di-Forderungen sind richtig, da sind wir uns einig", betont Hinniger. Er ist erst seit Oktober 2022 ver.di-Mitglied und hat sich schnell zu einem engagierten Ansprechpartner für seine Kolleginnen und Kollegen entwickelt.

Neuer Zusammenhalt ist entstanden

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Anja DegenFoto: privat

Die Straßenbahnfahrerin Anja Degen, Jahrgang 1981, ist seit 2018 bei ver.di, sie ist Nachrückerin für den Betriebsrat und für die Bundestarifkommission. "Ich finde es bemerkenswert, was sich bei uns im letzten halben Jahr verändert hat, seit wir uns mit der Tarifrunde 2023 beschäftigen. Es ist ein neuer Zusammenhalt entstanden, das Vertrauen ist gewachsen, auch in die eigenen Möglichkeiten. Ich bin sehr bemüht, in den persönlichen Gesprächen nicht nur unsere Forderungen zu erklären, auch gewerkschaftliche Zusammenhänge zu vermitteln."

Waren im Herbst 2022 bei den Leipziger Verkehrsbetrieben 16 Prozent der Belegschaft in ver.di organisiert, sind es heute schon 49 Prozent. "Darauf sind wir stolz und wir hoffen auf die nächsten Etappen."

Aktuell werden die ver.di-Mitglieder zur Einigung auf Grundlage des Schlichterspruchs befragt. Paul Schmidt fasst die Stimmung so zusammen: "Das Für und Wider des Ergebnisses wird intensiv diskutiert. Auch wenn wir von einer mehrheitlichen Zustimmung ausgehen, haben die Mitglieder das letzte Wort. So geht gewerkschaftliche Demokratie."

Von Birgit Tragsdorf