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Oft lassen die Arbeitgeber den Gewerkschaften keine andere OptionFoto: Halisch/dpa

Im vergangenen Jahr musste insbesondere in der Dienstleistungsbranche und in Dienstleistungsbetrieben gestreikt werden. Insgesamt 137 Arbeitskämpfe registrierte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung für 2024 im ver.di-Organisationsbereich. Zwar lag die Zahl der Streiks und Streiktage unter der des Vorjahres – aber es beteiligten sich insgesamt mehr Personen. Denn es kostete auch 2024 noch viel Zeit und Kraft und damit auch Streiktage, das reale Lohnniveau nach der hohen Inflationswelle wiederherzustellen. Doch nicht in allen Arbeitskämpfen ging es ausschließlich oder in erster Linie ums Geld.

Zunehmend schlagen sich im Streikgeschehen auch "Transformationskonflikte" nieder, wie die Forschenden des WSI beobachtet haben. Oft standen auch die Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt. Dazu zählen Arbeitszeiten, Urlaubstage, Ausgleich für Schicht- und Nachtdienste oder die Reduzierung unbezahlter Wartezeiten im öffentlichen Personennahverkehr. So ging es bei den Berliner Verkehrsbetrieben unter anderem darum, die Mindestwendezeiten heraufzusetzen – also die Erholungszeit, die Bus- oder U-Bahnfahrenden an der Endstation zugestanden wird, bevor sie wieder in die Gegenrichtung starten müssen.

Bei den allermeisten Streiks handelte es sich um Warnstreiks. "Unbefristete Erzwingungsstreiks mit vorangegangener Urabstimmung – aus Gewerkschaftssicht die höchste Eskalationsstufe eines Arbeitskampfes – sind in Deutschland bereits seit längerem die Ausnahme", heißt es in einer Pressemitteilung des WSI. Die meisten Arbeitskämpfe fanden 2024 auf Haus-, Firmen- oder Konzernebene statt. Das erklären die Autoren der Bilanz damit, dass sich in den vergangenen Jahren viele Unternehmen aus Flächentarifverträgen zurückgezogen haben. Die Folge: Gewerkschaften schließen Haustarifverträge ab. Und das bedeutet im Streikfall einen höheren Aufwand für die Gewerkschaften und die Beschäftigten, denn Tarifrunden finden so meist in kleineren und mittleren Unternehmen statt. Weitere Streiks gehen auf gewerkschaftliche Anstrengungen zurück, auch in bislang tariflosen Betrieben Tarifverträge zu etablieren.

"Oft sind es vor allem die Arbeitgeber, die keine kompromissfähigen Angebote vorlegen und damit der Gewerkschaftsseite keine Handlungsalternative lassen", führen die Forschenden des WSI als weitere Begründung für Streiks an. Außerdem versuchten immer mehr Arbeitgeber, Arbeitsniederlegungen mit juristischen Mitteln zu verhindern – oft mit Hilfe darauf spezialisierter Großkanzleien. Auch das binde gewerkschaftliche Ressourcen.

Im internationalen Vergleich aber ist Deutschland weiterhin ein Land mit relativ wenigen Streiktagen. Dass die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage im Vergleich zum Vorjahr um ein knappes Drittel gesunken ist, führen die Forschenden darauf zurück, dass die Streiks im Jahr 2024 deutlich kürzer waren als im Vorjahr.

Thilo Janssen, Heiner Dribbusch, Thorsten Schulten: WSI-Arbeitskampfbilanz 2024, WSI-Report Nr. 106, September 2025, Download unter kurzlinks.de/j7uq

2024 in Zahlen

Arbeitskämpfe 286 (-26)

Teilnehmende 912.000 (+55.000)

Ausgefallene Arbeitstage 946.000 (-554.000)

(Vergleich zum Vorjahr)